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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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Horizont verwischten - türmten sich auf, purzelten dann durcheinander wie bei einem Kaleidoskop. Er drehte sich um und setzte sich erneut auf das kleine Sofa. »Das war das Geheimnis?«
    Frannie hockte auf der Bettkante. Sie machte eine kleine Pause, überlegte sich eine Antwort. »Das Ganze war ein Geheimnis. Es hing alles miteinander zusammen.«
    Hardy saß vornübergebeugt da, hatte die Hände vor sich gefaltet, den Kopf gesenkt.
    »Dismas?« Sie war jetzt aus dem Bett geklettert, kniete wieder vor ihm auf dem Boden. Er spürte ihre Hände auf den Beinen.
    »Ich bin nicht wütend«, sagte er. »Laß uns da Klarheit schaffen. Ich bin nicht wütend auf dich, und ich bin froh, daß wir uns darüber unterhalten. Aber ist dir je in den Sinn gekommen, daß sie dich vielleicht benutzen könnte?«
    »Das hat sie nicht. Ich hab dir doch eben gesagt, daß es nicht so ablief. Zumindest hatte ich nicht den Eindruck, daß es so ab ...«
    Er setzte einen Fuß in den Spalt dieser Unterscheidung-»Du hast damals nicht den Eindruck gehabt, daß es so ablief, aber jetzt hast du diesen Eindruck? Glaubst du, es könnte doch so gewesen sein?«
    Frannie stand auf und schnappte sich das Laken, zog es um sich herum, setzte sich dann auf die Bettkante. »Nein, das habe ich nicht gesagt.« Sie holte tief Luft und streckte wieder die Hand aus, hinein in den leeren Raum zwischen dem Bett und dem Sofa. »Ich wünschte, du würdest kein Verhör mit mir anstellen. Ich will mit dir darüber reden, Dismas, aber wenn wir es so anpacken, schüchtert mich das ein. Das läuft nicht, das bringt uns nirgendwohin.«
    »Wohin willst du uns denn bringen, Frannie?«
    »Ich will, daß wir wieder miteinander reden können. Ich versuche dir zu erzählen, wie es gewesen ist.«
    Im Kerzenlicht sah ihr Gesicht wie eine bernsteinfarbene Kamee aus. Er merkte, daß er die Augen nicht von ihr abwenden konnte. Er nickte. Ihr Arm überbrückte den leeren Raum zwischen ihnen, berührte sein Bein, griff nach ihm. Er legte seine Hand auf ihre.
    Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um Frannie auseinanderzusetzen, daß Jennifer womöglich ein Programm verfolgte, das weit entfernt von dem war, das sie Frannie glauben gemacht hatte. Er setzte sich neben sie und zog das Laken um sie beide. »Du hast recht«, sagte er und küßte sie, drückte sie an sich, »tut mir leid. Also red mit mir.«
    »Sie hat dir erzählt, daß Larry sie geschlagen hat?«
    »Alle haben sie geschlagen. Sie konnte nicht glauben, daß du mich nie geschlagen hast, daß Eddie mich nie geschlagen hat. Sie hat mir nicht geglaubt, ich habe es deutlich gemerkt. Es ist, als liege die Vorstellung völlig außerhalb ihrer Erfahrungswelt.«
    »Das ist sie vermutlich auch.«
    Sie saßen immer noch eng aneinandergeschmiegt auf der Bettkante. »Wir wollen unsere Kinder nie schlagen, abgemacht?« sagte Hardy.
    »Tun wir doch auch nicht.«
    »Ich weiß. Laß uns nicht damit anfangen.«
    Frannie kuschelte sich an ihn. Gedämpfte Nachtgeräusche drangen durchs geschlossene Fenster - die Bremsen eines Lastwagens kreischten, als sich das Fahrzeug langsam den steilen Abhang der nördlichen Dividadero Street hinunterquälte, dann folgte das sorglose Lachen einer jungen Frau vor einem der Nachtklubs auf der Union Street.
    »Ich hab immer noch ein bißchen das Gefühl, daß ich sie im Stich gelassen habe. Jennifer meine ich. Ich hab einfach - ich hatte irgendwie ein komisches Gefühl.«
    »Na ja, ich habe sie nicht im Stich gelassen, also bleibt es in der Familie, schätze ich mal, oder?«
    »Ich weiß, aber...«
    »Pssf. Schau mal. Vielleicht gibt ihr ja die Tatsache, daß sie deine Geschichte hört - eine Frau, die nicht geschlagen wird -die Hoffnung, daß es möglich ist.«
    »Sofern sie die Geschichte glaubt.«
    »Und wenn nicht, dann glaubt sie auch nicht daran, wenn du sie weiterhin besuchst, stimmt's?« Er drückte seine Frau an sich, atmete ihren wunderbaren Geruch ein. Die Kerze flackerte kurz. Hardy blickte hinüber und sah, daß ein dünner Wachsfaden den Kristalleuchter herablief und auf der Platte der Ankleidekommode einen dicken Tropfen bildete. »Ich will dir nichts ausreden, weißt du. Wenn du sie weiterhin besuchen willst, sag es mir einfach, abgemacht? Laß es mich wissen.«
    »Nein.« Sie seufzte. »Es gibt Dinge - es ist einfach zu verquer.«
    »Das hast du bereits gesagt. Aber wenn du nichts hinter meinem Rücken...«
    »Nein, das ist es nicht, was verquer läuft. Sie ist es, Jennifer. Erst habe ich

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