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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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komm ich da wieder raus, oh, verflucht noch mal...«
    Sie pfefferte den Hörer zu Boden, stieß den Stuhl zurück, der umfiel, stand da und sah um sich, weinte jetzt heftig. Die Wärterin kam näher, hatte die Hand auf den Schlagstock gelegt.
    Lightner stand auf und sah zu, hielt die Hand auf die Plexiglasscheibe gepreßt. Jennifer sagte etwas zu der Wärterin, ließ den Kopf hängen. Sie drehte sich nicht um, blickte nicht zurück. Die beiden Frauen gingen zur Tür zurück zum Zellentrakt, und Lightner ließ sich wieder auf den unbequemen Stuhl fallen, versuchte, seine eigenen Gefühle unter Kontrolle zu bekommen.
    Plötzlich stand sie wieder vor der Glasscheibe, preßte die Hände dagegen. Jetzt weinte sie rückhaltlos, halb hielt sie sich an der Trennwand aufrecht, halb glitt sie zu Boden. Mit einem Kopfschütteln, entschlossener Miene und nach dem Schlagstock greifend, als müßte sie ihn vielleicht wirklich benutzen, stapfte jetzt die Gefängniswärterin auf Jennifer zu - die zwischen den Schluchzern Worte hervorwürgte.
    Auch wenn er die Worte nicht deutlich hören konnte, wußte er, was sie sagen wollte. Es war, was sie immer sagte, wenn sie völlig durcheinander und aufgewühlt war, wenn sie das Gefühl hatte, es sei alles ihre Schuld und sie müsse dies einfach akzeptieren.
    »Es tut mir leid«, schluchzte sie wieder und immer wieder und versuchte, ihn durch die Trennscheibe anzufassen, als lebe er in einer anderen Dimension. »Es tut mir leid, ich habe es nicht so gemeint, sei nicht böse auf mich ...«
    Und dann legte ihr die Wärterin die Hand auf die Schulter und zog sie nach hinten, drehte sie um, bugsierte sie zurück zur Tür.
    Lightner stand da und atmete schwer und überlegte, ob Jennifer womöglich recht hätte. Vielleicht war sie ein hoffnungsloser Fall, eine Verliererin, der nicht zu helfen war.
    Und das nach allem, was er für sie getan hatte. Die Einsicht traf ihn wie ein Elektroschock, so daß er sich wieder setzen mußte - er begriff, daß sie ihr Leben vielleicht nie und nimmer auf die Reihe bekommen mochte. Er merkte, daß er am ganzen Leibe zitterte, und versuchte, sich zusammenzureißen, aber was er wirklich wollte, war, sie aufzuwecken, ihr ein bißchen Verstand in den verwirrten, entzückenden Kopf zu klopfen.
    Frannie konnte es gar nicht glauben daß Hardy alle diese Vorbereitungen getroffen hatte - er hatte Erin, Rebeccas Großmutter, angerufen und sie gebeten, die Kinder bei sich übernachten zu lassen, dann ein Taxi losgeschickt, das alle abholte und an ihrem jeweiligen Bestimmungsort absetzte, hatte ein Zimmer in dieser luxuriösen Frühstückspension reserviert.
    Hardy war bescheiden. »Ich bin eben eine leibhaftige Schatzkiste voller Überraschungen.«
    »Wie bist du auf die Idee gekommen? Was ist mit dem Prozeß?«
    Hardy saß auf einem kleinen Sofa mit rotem Samtüberzug und nippte an einem geschliffenen Kristallglas mit altem Tawny Port. »Ich hab mir gedacht, wir sind uns rund vier Date Nights schuldig, sagen wir ein Minimum von zwölf Stunden. Der Prozeß kann einen Tag ohne mich auskommen -das ist sowieso die Phase, für die primär Freeman zuständig ist, weißt du noch?«
    Frannie stand mit verschränkten Armen und hochgestecktem Haar am Fenster und genoß die Aussicht vom Gartenfenster des California House, eines alten viktorianischen Holzhauses in der Upper Dividadero Street, das renoviert und als Frühstückspension wiedergeboren worden war, auf die Golden Gate Bridge. Sie befanden sich in der Gold Rush Suite, die mit allen Schikanen ausgestattet war, mit wohlgefüllten Bücherregalen, einem Whirlpool, offenem Kamin, Portwein und Sherry in Kristallkaraffen und natürlich der Aussicht, die einen Aufschlag von achtzig Dollar auf den Zimmerpreis bedeutete.
    Hardy hatte die Reservierung vom Justizpalast aus vorgenommen, sobald sich das Gericht vertagt hatte. Erin hatte zu ihm gesagt, es sei kein Problem, bei ihnen zu Hause vorbeizufahren, die Kinder abzuholen und sie abends zu füttern. Hardy hatte das Gefühl gehabt, die Chancen, daß Frannie ablehnen würde, seien geringer, wenn Erin einfach vorbeikam und einen genauen Plan vorbrachte. Ein Taxi fuhr vor dem Haus vor und holte Frannie um Viertel nach sechs ab. Und da waren sie nun.
    Hardy war sich noch immer nicht sicher, daß Frannie die Überraschung wirklich genoß. Sie hielt die Arme weiterhin verschränkt. Sie verzog keine Miene. Er hatte nicht den Eindruck, daß es Zorn war - bei aller Distanz benahm sie sich nicht,

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