Das Urteil
Aufmacher auf der Titelseite gebracht hatte.
Jennifer Witt war wieder für dicke Schlagzeilen gut.
Obwohl Villars mehr Gründe hatte, Freeman gehörig die Meinung zu geigen, machte es den Anschein, als strafe sie beide Seiten mit gleicher Feindseligkeit, und dies - so jedenfalls Freemans Einschätzung - würde am Ende der Verteidigung helfen. Natürlich war Freeman, so schoß es Hardy durch den Kopf, auch der Ansicht, daß ein Massenmord im Gerichtssaal am Ende der Verteidigung helfen würde. Sein Credo war es, daß jede Störung im Fluß der stetigen Anhäufung belastenden Beweismaterials der Verteidigung nutzen mußte. Dies war auch die Ursache, weshalb er so gerne Sand ins Getriebe schüttete.
Aber trotz der vielen Zuhörer hätte Villars ebensogut mit den zwölf Geschworenen mutterseelenallein in einem kleinen Kämmerchen tagen können. Sie hatte für das Publikum noch nicht einmal einen Seitenblick übrig, ebensowenig für die Tische der Anklagevertretung und der Verteidiger. In einem für normale Unterhaltung geeigneten, beinahe intimen Ton erteilte sie der Jury Anweisungen, die verhindern sollten, daß der von ihr geleitete Prozeß einen Revisionsgrund lieferte. Das war der Alptraum jedes Richters und fraglos die Wurzel ihres unmittelbaren Zorns.
»Ich will gar nicht erst zu bestreiten versuchen, daß dieses Verfahren auf Abwege geraten ist. Es ist höchst ungewöhnlich, einen Anklagepunkt mitten in den Ausführungen der Staatsanwaltschaft abzuweisen, und ich will Sie nicht damit beleidigen, indem ich so tue, als sei es das nicht. Manchen von Ihnen kommt es vielleicht ein bißchen komisch vor, daß wir überhaupt weitermachen, und dazu will ich jetzt einiges klarstellen.
Gegen Mrs. Witt hatte man wegen dreier verschiedener Morde Anklage erhoben. Am Freitag habe ich, wie Sie sich erinnern werden, die Entscheidung gefällt, daß, juristisch gesehen, nicht genügend Beweismaterial beigebracht worden ist, um über jeden berechtigten Zweifel hinaus beweisen zu können, daß Jennifer Witt Ned Hollis, ihren ersten Ehemann, getötet hat.
Ich möchte Ihnen aber einschärfen, daß dies keinerlei Einfluß darauf haben sollte, wie Sie die Argumente der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung einschätzen, die beide Seiten bezüglich der zwei noch verbleibenden Anklagepunkte vorbringen werden.«
Sie nahm einen Schluck Wasser zu sich und warf dem Staatsanwalt und dem Strafverteidiger jeweils einen vernichtenden Blick zu.
»Lassen Sie uns, nachdem dies gesagt ist, Ned Hollis abhaken. Er hat keine zwangsläufige Verbindung zu den verbleibenden Anklagepunkten gegen Mrs. Witt. Falls jemand von Ihnen das Gefühl hat, daß er diese Anweisung nicht guten Gewissens akzeptieren kann, dann heben Sie bitte jetzt die Hand, damit ich Sie von Ihren Geschworenenpflichten entbinden kann.«
Es fuhr keine Hand in die Höhe. Hardy wäre es lieber gewesen, wenn er eine oder zwei gesehen hätte, weil er wußte, daß diese Anweisung schwierig, wenn nicht sogar unmöglich zu beherzigen war. Jetzt saßen alle zwölf Geschworenen auf der Bank und wußten klipp und klar, daß Jennifers erster Mann ums Leben gekommen war und seine Witwe anschließend eine Menge Geld kassiert hatte. Daß niemand die Hand gehoben hatte, bedeutete, daß dieses Wissen beim Nachgrübeln über den Urteilsspruch nicht offen zur Sprache gebracht würde - und doch war es mit im Spiel, eine Schlange im Gebüsch.
Villars nickte. »Nun, bei den beiden verbleibenden Anklagepunkten geht es immer noch um mehrfachen Mord und Mord aus Gewinnsucht, und diese beiden Vorhaltungen zählen nach den Gesetzen des Staates Kalifornien zu den erschwerenden Umständen, bei denen die Staatsanwaltschaft die Todesstrafe beantragen kann. Die Tode von Larry Witt und Matt Witt sollten für den Rest des Verfahrens die einzigen Punkte sein, mit denen Sie sich auseinandersetzen. Das Gericht weiß Ihre Geduld zu würdigen, mit der Sie sich all das hier anhören, und versichert Ihnen, daß es sich im Verlaufe der kommenden Tage und Wochen nicht wiederholen wird.«
Villars nahm einen letzten Schluck aus ihrem Glas und drehte sich dann abrupt um, blickte in den Gerichtssaal. »Mr. Powell, ich darf wohl davon ausgehen, daß Sie bereit sind, mit Ihrem nächsten Zeugen fortzufahren.«
»Jawohl, Euer Ehren.«
»Na schön, dann wollen wir die Sache mal ins Rollen bringen.«
Dean Powell war nicht nur verprellt und wütend, die Auseinandersetzung mit Freeman im Richterzimmer schien ihn elektrisiert
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