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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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zu haben. Jetzt wollte er nicht einfach nur gewinnen, um einen weiteren Sieg verbuchen zu können oder im Wahlkampf ein Stück voranzukommen. Freeman, der immer auf seinen Vorteil aus war, hatte den Einsatz erhöht, und jetzt war das Ganze - für Powell - zu einer persönlichen Angelegenheit geworden. Er würde nicht nur gewinnen, indem er die Jury dazu brachte, Jennifer Witt zu verurteilen. Er würde obendrein David Freeman kräftig einen reinwürgen.
    Hardy klappte seine Aktenmappe auf und fand den Reiter für den Fahrer vom Federal Express. Er schob die Mappe vor Jennifer, damit Freeman sie sich noch einmal ansehen konnte, aber Freeman hatte das entweder nicht nötig - konnte es sein, daß er die ganze Akte auswendig kannte? - oder wollte nicht gern zeigen, daß es doch so war.
    Mr. Fred Rivera, der Lou-Christie-Fan - Hardy hatte den Ohrwurm »The Gypsy Cried« seit Wochen nicht mehr aus dem Kopf bekommen, es machte ihn ganz verrückt -, betrat den Zeugenstand, zwar ein wenig verunsichert, weil er der erste Zeuge war, aber ganz offensichtlich erfreut, daß er an diesem aufregenden Geschehen teilhaben durfte und außerdem dafür Geld bekam, daß er einen Tag freinahm. Rivera hatte seine Federal-Express-Uniform an und rückte auf seinem Stuhl nach vorn, um alles ganz genau mitzubekommen.
    »Mr. Rivera.« Powell stand auf den Fußballen und wippte vor und zurück, hatte sich in der Mitte des Gerichtssaal postiert, etwa fünf Meter vor dem Zeugen. »Am Morgen des 28. Dezember letzten Jahres, dem Montag nach Weihnachten, haben Sie da ein Paket des Federal Express im Olympia Way 128 abgegeben?«
    »Jawohl, Sir.«
    So begann das Ganze, Powell ging mit Rivera Schritt für Schritt die Paketübergabe um exakt 9:30 Uhr durch, als Larry Witt und Matt noch am Leben waren. Fred identifizierte ein Foto von Larry. Es wurde als Beweisstück registriert, ebenso die Rechnung des Federal Express mit Larrys Unterschrift für die Annahme des Pakets. Powell war darauf bedacht, den ge nauen Zeitpunkt festzulegen und legte zu diesem Zweck den Computerausdruck vor, der belegte, daß Fred die Bestätigung der Lieferung um 9:31 Uhr eingetippt hatte.
    Powell leitete zu seinem nächsten Fragenkomplex über: Rivera hatte an jenem Morgen niemanden auf dem Olympia Way Spazierengehen gesehen. Dann, ohne seinen Rhythmus zu ändern, wich der Staatsanwalt von dem ab, was Freeman und Hardy als klares Szenario vorausgesehen hatten. »Mr. Rivera, Sie haben sich mit Inspector Terrell über die Ereig nisse des besagten Morgens unterhalten und das Verhalten von Dr. Witt charakterisiert, richtig?«
    »Sie meinen, daß ich gesagt habe, er sei ein ziemlich steifer Typ gewesen, so in der Art?«
    Freeman hob den Zeigefinger und legte Einspruch ein, das sei Spekulation und verlange eine Schlußfolgerung. Powell formulierte die Frage anders. »Mr. Rivera, was tat Dr. Witt, als er die Tür öffnete?«
    »Nun, er hat sie nur ein Stück weit aufgemacht, vielleicht nur zu einem Drittel, vielleicht halb. Ich gab ihm das Paket und versuchte dann, ihm das Klemmbrett zu reichen, damit er unterschreiben konnte, aber er hielt ja das Paket und hatte nichts, wo er es absetzen konnte. Das schien ihn wütend zu machen.«
    Freeman, der sich fragte, worauf das Ganze hinaussollte, hob wieder den Finger. »Euer Ehren? Derselbe Einspruch.«
    Villars beugte sich zu dem Zeugen vor. »Mr. Rivera«, sagte sie nachsichtig, »beschreiben Sie einfach, was Sie gesehen haben, nicht, was er Ihrer Meinung nach dabei empfand.«
    Rivera begann die Fassung zu verlieren. Bei all den frühe ren Unterredungen mit Anwälten und Polizisten hatte ihm noch niemand auf diese Weise die Antworten vorgeschrieben. Willkommen zu den Prozessen vor einem Geschworenen gericht, dachte Hardy bei sich.
    »Was hat Dr. Witt dann gemacht?« Powell war mit einem-uial Riveras guter Kumpel, der ihm half, ihn dort wieder herauszog.
    »Na ja, er drehte sich halb um und gab das Paket dem Jungen.«
    »Haben Sie den Jungen gesehen?«
    »Nein, ich habe ihn nicht gesehen, das nicht. Er stand hinter der Tür.«
    »Wieso wußten Sie dann, daß es der Junge war?«
    »Ich sah ihn losrennen, um das Paket seiner Mutter zu zeigen.«
    Am Tisch der Verteidigung blätterte Freeman in den Seiten mit den Verhören Riveras. »Haben Sie das schon mal gehört?« flüsterte er Hardy zu und stand dann auf, ohne die Antwort abzuwarten. »Euer Ehren, Einspruch. Der Zeuge kann unmöglich wissen, wohin der Junge mit dem Paket laufen

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