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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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Schauspielertricks abzuwürgen, bevor sie zu übel wurden, aber trotz seiner Vorliebe für großartige Zirkusnummern zog Freeman dieses Kreuzverhör sehr korrekt durch. Hardy bezweifelte überdies, daß sich der Anwalt von seinem Hang zur Extravaganz überrumpeln lassen würde, wenn er so deutlich Ober-Wasser hatte.
    »Sie haben uns gesagt, daß Sie sich beim Bett Ihrer Frau befanden und ihr etwas vorlasen, als Sie die Schüsse gehört haben?«
    »Das ist richtig.«
    »Und dann, nach dem zweiten Schuß, sind Sie aufgestanden, um einen Blick hinaus auf die Straße zu werfen, ist das richtig?«
    Alvarez nickte mißmutig, und Villars forderte ihn auf, Fragen mit Worten zu beantworten. Er nickte wieder und sagte: »Ja, ich bin nach dem zweiten Schuß aufgestanden.«
    »Sofort danach? Sagen wir, innerhalb einer Minute? Oder eher?«
    »Vielleicht ein wenig eher. Irgendwas zwischen sofort und einer Minute.«
    »Und dann sind Sie zum Fenster gegangen, das zur Straße hinausgeht?«
    »Das stimmt.«
    »Und wie weit ist das vom Schlafzimmer Ihrer Frau entfernt?«
    »Das weiß ich nicht ganz exakt, vielleicht sieben Meter, denke ich mal. So in etwa.«
    »Und Sie sind direkt zum Fenster marschiert? Sie sind auf dem Weg nicht zum Beispiel zur Toilette gegangen?«
    Ein nervöses Gekicher war jetzt im Gerichtssaal zu vernehmen - Freeman war hart bis an die Grenze von Villars' Geduld gewesen, und das wußte er auch, aber der Effekt auf die Jury war einfach großartig.
    Alvarez sah nicht, was daran so witzig sein sollte, und antwortete nüchtern: »Ja, ich bin direkt zum Fenster gegangen.«
    »Und die Person, die Sie am Tor gesehen haben, stand bereits dort, als Sie beim Fenster ankamen, und sah zurück zum Haus?«
    » Ja. «
    Für Hardy war die Szene klar, aber er war sich nicht sicher, wie viele der Jurymitglieder sie ebenfalls mitbekommen hatten. Aber er dachte bei sich, daß alle von ihnen es verstehen würden, nachdem Freeman erst einmal das Eröffnungsplädoyer für die Verteidigung gehalten hätte: Konnte Jennifer wirklich Larry und Matt im ersten Stock ihres Hauses erschossen haben, dann die Stufen hinunter und durch das Haus gelaufen sein, aus der Haustür hinaus und den Gartenweg hinunter und dann das Tor geschlossen haben, und zwar in derselben Zeit, die Alvarez gebraucht hatte, um sieben Meter zurückzulegen, plus minus weniger als eine Minute? Er bezweifelte es und ging davon aus, daß die Jurymitglieder es ebenfalls bezweifeln würden, speziell dann, wenn Freeman die Joggerin, Lisa Jennings, ins Spiel brachte, um die falsche Identifizierung von Alvarez zu enthüllen, der Lisa mit Jennifer verwechselt hatte.
    Aber Powell hatte nicht die Absicht, Alvarez mit diesem für die Anklage ungünstigen Ergebnis aus dem Zeugenstand zu verabschieden. Die bei Gericht herrschenden Regeln erlaubten die direkte Befragung durch die Gerichtspartei, die soeben ihre Argumente darlegte, dann ein Kreuzverhör durch die Gegenpartei, und schließlich eine weitere Runde von Fragen, sofern die Partei, die den Zeugen zuerst aufgerufen hatte, dies wünschte. Diese letzte Runde war die abermalige Vernehmung nach dem Kreuzverhör, und Powell war bereits auf den Beinen und am Ball, bevor Freeman wieder beim Tisch der Verteidigung angelangt war.
    »Mr. Alvarez, nur noch ein paar weitere Fragen - wie lange kennen Sie Mrs. Witt?«
    »Wir kennen uns ungefähr seit vier Jahren. Wir sind zu ihnen hinübergegangen und haben uns vorgestellt, als sie eingezogen sind.«
    »Vier Jahre. Und während dieser Zeit haben Sie, nehme ich an, Mrs. Witt gesehen, wie sie an Ihnen vorbeigegangen ist?«
    » Ja. «
    »Und offensichtlich auch im Profil, nicht wahr?«
    Alvarez wurde angesichts des freundlichen Tonfalls schließ lich ein wenig lockerer. Er erlaubte sich ein Lächeln. »Natürlich. Oft sogar.«
    »Und Sie persönlich hegen keinerlei Zweifel, daß es sich bei der Frau, die Sie nach den Schüssen auf der anderen Straßenseite am Tor stehen sahen, um Jennifer Witt handelte.«
    Man mußte Alvarez zugute halten, daß er im Bewußtsein, welche Bedeutung seiner Antwort zukam, eine Weile nichts sagte und Jennifer anstarrte. »Ich habe nichts gegen diese Frau, aber sie war es nun einmal.«
    »Euer Ehren!«
    »In Ordnung, Mr. Freeman. Die Jury wird dieser letzten Antwort keine Beachtung schenken, Mr. Alvarez, bitte beantworten Sie nur die Frage.«
    Adrienne, die Gerichtsschreiberin, las Powells Frage noch einmal vor, und dieses Mal antwortete Alvarez mit einem schlichten:

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