Das Urteil
kleine Loch in einem ansonsten nahtlosen Gewebe.
»Mrs. Witt sagte Ihnen, daß ihr Mann keine Feinde hatte, ist das richtig?«
»Ja, Sir.«
»Und haben Sie diese Aussage im Verlauf Ihrer Ermittlungen überprüft?«
»Ja, das habe ich.« Terrell gab nichts freiwillig preis, er imi tierte Freemans Spielchen, machte eine Pause, bevor er sprach, gab kein einziges unbedachtes Wort von sich. Und erwiderte Freemans Blick ohne ein Wimpernzucken.
Hardy wußte ein bißchen, wie Terrell im Innersten gestrickt war - der Inspector forderte Freeman heraus, er solle doch versuchen, ihn aufs Kreuz zu legen. Und irgendwie bekam er das hin, ohne streitlustig zu erscheinen. Powell hatte ihn prima präpariert.
Aber irgend etwas war im Busch. Plötzlich brachte Hardy Powells Selbstvertrauen und Terrells Verhalten zusammen -die Verteidigung war drauf und dran, in eine Falle laufen. Er hob die Hand. »Bitte entschuldigen Sie, Euer Ehren.«
Freeman, der unterbrochen wurde, während er sich noch abmühte, einen Rhythmus zu finden, drehte sich um und starrte ihn an. »Ich möchte eine kurze Pause beantragen.«
Villars runzelte die Stirn - der Nachmittag war auch ohne diese ständigen Unterbrechungen schon lang genug gewesen. »Sofern es keine Einwände gibt.« Es gab keine. Sie verkündete eine fünfzehnminütige Pause.
»Da ist irgendwas im Busch«, sagte Hardy. »Wir sollen kräftig eins über den Schädel kriegen.«
Er und Freeman standen Nase an Nase direkt hinter der Tür des Zimmers, das sie ihre Suite nannten. Die Fenster waren zugeschweißt, und entweder lief die Heizung auf vollen Touren, oder aber die Klimaanlage arbeitete nicht stark genug. Jedenfalls herrschten mindestens dreißig Grad.
»Womit? Ich werde Terrell ein paar andere Typen präsentieren und lasse mich wieder auf meinen müden Allerwertesten nieder.«
»Ich weiß, daß Sie genau das vorhaben. Ich aber sage, tun Sie's nicht. Terrell weiß irgendwas, und er platzt schon fast vor Ungeduld, es endlich rauszulassen. Sie sind Powell mit Alvarez volle Kanne auf die Zehen gestiegen, und er weiß es, und trotzdem spielt er noch immer die Grinsekatze da draußen, und ich glaube nicht, daß er das nur vortäuscht.«
»Alles, was Powell tut, ist vorgetäuscht.«
»So gar nicht wie Ihr durch und durch aufrichtiger Charakter, nicht wahr?«
Freeman äußerte sich nicht dazu. »Verdammt, hier drin ist es so heiß wie in der Hölle. Was soll ich denn Ihrer Meinung nach tun, Terrell einfach nicht weiter befragen? An diesem Punkt aufhören?«
»Was könnte das groß schaden?«
Der Blick, den Hardy als Antwort erhielt, war alles andere als schmeichelhaft, aber das war ihm egal. Er war davon über zeugt, daß sie durch die Zeugenaussage von Barbieto und Alvarez der Chance auf einen Freispruch ein ganzes Stück nähergekommen waren. Alles in allem ging es ja um berech tigte Zweifel und nicht um absolute Gewißheit, und Hardy dachte, sie hätten solche Zweifel gesät.
Außerdem, auch wenn Gage und Terrell der Verteidigung keine weiteren Pluspunkte verschafft hatten, konnte auch Powell nach den Aussagen der beiden nicht zu viele Punkte auf seinem Konto verbuchen. Was sich jedoch im Handum drehen ändern konnte. Eine falsche Bewegung konnte jetzt die Stoßrichtung des ganzen Prozesses verändern. Jetzt war der richtige Zeitpunkt, im wörtlichen Sinne konservativ zu sein - das zu bewahren, was sie bereits hatten. Sie durften die andere Seite keine weiteren Punkte mehr machen lassen.
Das war jedoch noch nie David Freemans Stil gewesen. »Sie fragen mich, was das groß schaden könnte? Es stellt einfach nicht die optimale Verteidigung für unsere Mandantin dar, Ende. Terrell behauptet implizit, niemand sonst auf der Welt hätte einen Grund gehabt, Larry Witt umzubringen. Das reimt er sich aufgrund der Aussage unserer Mandantin zusammen, die behauptet, daß Witt keine Feinde hatte. Und das wollen Sie durchgehen lassen? Glauben Sie nicht, daß das wichtig ist?«
»Sicher ist das wichtig, aber wir können auch nächste Woche darauf zurückkommen...«
»Wir können es jetzt zur Sprache bringen. Das bereitet die Jury schon mal darauf vor, später die Einzelheiten zu akzep tieren.«
Hardy wurde klar, daß er seinen Partner nicht überzeugen konnte. Nun ja, vielleicht hatte er sich getäuscht; schließ lich war es nur ein Gefühl. Vielleicht war ihm Terrells Ge genwart auf den Magen geschlagen. Wie auch immer, er hatte versucht David zu warnen und sein eigenes Gewissen zu beruhigen,
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