Das Urteil
anderen Straßenseite.«
Powell hatte Mr. Alvarez offensichtlich gründlich darauf vorbereitet, wie er seine Fragen beantworten solle, und jetzt waren sie am Kernpunkt angelangt. »Ist diese Frau in diesem Gerichtssaal, Mr. Alvarez?«
Der Zeuge zögerte nicht einen Augenblick. »Ja, Sir, das ist sie. Sie sitzt dort drüben« - er deutete hinüber - »am Tisch der Verteidigung.«
Powell nickte, er hatte sein Ziel erreicht. »Bitte nehmen Sie ins Protokoll auf, daß der Zeuge die Angeklagte, Jennifer Witt, identifiziert hat.«
Im Gerichtssaal brach die erwartete Aufregung aus, und Jennifer, die neben Hardy saß, ließ den Kopf hängen und schüttelte ihn. Villars knallte ein paarmal den Hammer auf den Tisch und rief zur Ruhe, und Hardy nutzte den Moment, um Jennifer etwas zuzuflüstern. »Sehen Sie ihn an. Sehen Sie ihm ins Gesicht.«
Sie hob den Kopf, doch sie konnte offenbar ihren Trotz nicht länger aufrechterhalten. Alvarez starrte ihr seinerseits mitten ins Gesicht und machte damit klar, daß er zu der von ihm gemachten Anschuldigung stehen würde - Sie sind es gewesen, ich bin mir da absolut sicher. Jennifer fiel langsam in sich zusammen, verschränkte vor sich die Arme auf dem Tisch und ließ den Kopf sinken, bis er auf den Armen ruhte.
Powell genoß das Schauspiel. Einen Augenblick lang blickte er als erklärter Sieger zu Freeman hinüber. Dann war der Augenblick vorbei. Er wandte sich wieder dem Zeugen zu.
»Was hat sie dann getan?«
Hardy war immer wieder von den vielen Rollen überrascht, in die David Freeman schlüpfen konnte. Nie erhob er sich beispielsweise zweimal auf dieselbe Weise, wenn er Zeugen ins Kreuzverhör nahm. Manchmal, wie er es bei Mrs. Barbieto demonstriert hatte, erhob er sich überhaupt nicht und wartete auf eine Aufforderung - vielmehr ein Ultimatum - seitens der Richterin. Im Fall von Anthony Alvarez - als Powell mit ihm fertig war - stürzte er sich buchstäblich auf ihn, als ob er ihm an die Gurgel wollte.
»Mr. Alvarez, Sie haben soeben ausgesagt, daß Sie Mrs. Witt ungefähr eine Minute nach den Schüssen gesehen haben, wie sie am Tor stand und zur Haustür zurückblickte, ist das richtig?«
» Ja. «
»Haben Sie gesehen, wie sie das Haus verlassen hat?«
»Nein, sie stand am Tor, als ich sie sah.«
»Und Ihre Schlußfolgerung war, daß sie aus dem Haus gekommen ist?«
»Ja.«
»Daß sie sich im Haus befand, als die Schüsse abgegeben wurden.«
»Ja.«
»Und sofort hinterher herauskam, ungefähr eine Minute danach, zu dem Zeitpunkt, als Sie sie gesehen haben?«
»Ja, das ist richtig. Das habe ich gefolgert.«
» Sie hätte also, als die Schüsse abgegeben wurden, überall sein können, nicht wahr? Weiter oben oder weiter unten auf der Straße, ja meinetwegen auf der anderen Seite der Stadt.«
Alvarez zog die Stirn in Falten, und Powell erhob Ein spruch.
»Wollen Sie auf etwas Bestimmtes hinaus, Mr. Freeman?« fragte Villars.
Freeman nickte. »Ich stelle nur klar, Euer Ehren, daß der Zeuge keineswegs wissen konnte, wo Jennifer Witt war, als die Schüsse fielen. Er nahm aufgrund seiner angeblichen Identifizierung von ihr am Tor gleich nach den Schüssen an, daß sie sich im Haus befand. Da er dachte, daß er sie am Tor gesehen hat, nahm er an, daß sie sich zuvor im Haus befand. Aber wenn es nicht Jennifer war, die am Tor stand ...«
Villars nickte. »In Ordnung. Der Einspruch ist abgelehnt. Sie können fortfahren, Mr. Freeman.«
Das war ein guter Dialog, dachte Hardy. Natürlich schloß es nicht aus, daß Jennifer sich zu dem Zeitpunkt, als die Schüsse abgegeben wurden, im Haus befand, aber zum ersten Mal hörte die Jury einen Zeugen der Anklage sagen, er könne nicht mit Sicherheit behaupten, daß sie dort gewesen sei. Und wenn Freeman erst einmal Lisa Jennings präsentiert hatte, würde der Zweifel daran, daß Jennifer Witt überhaupt dort gewesen war, sogar noch wesentlich größer werde n.
Freemans Frage wurde Alvarez noch einmal vorgelesen, und er gab widerstrebend zu, daß Jennifer tatsächlich, rein theoretisch, überall hätte sein können, als die Schüsse fielen. »Außer daß sie es nicht in einer Minute vom anderen Ende der Stadt bis zum Tor ihres Hauses geschafft hätte«, fügte er hinzu.
Freeman lächelte warmherzig. » In der Tat hätte sie das nicht geschafft«, sagte er. »Das ist auch der Grund, warum ich möchte, daß Sie sich Ihrer Aussage, daß Sie Jennifer Witt vor dem Tor des Hauses gesehen haben, vollkommen sic her sind, Mr.
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