Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
Vom Netzwerk:
Gott. Hör mal, sie ist ein netter Mensch, vielleicht ein bißchen verwirrt, aber ...«
    Hardy schüttelte den Kopf. »Ich will mich nicht mit dir streiten, aber ich glaube nicht, daß sie so ein netter Mensch ist. Sie hat gelogen, und sie hat mindestens einen Menschen getötet« - er hob eine Hand -, »okay, vielleicht hatte sie ihre Gründe, aber ich will nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, was für ein netter Mensch Jennifer Witt ist.«
    »Jedenfalls hat sie mit Sicherheit nicht Larry und Matt umgebracht.«
    »Ich glaube nicht, daß sie es war.«
    »Dismas, du weißt, daß sie es nicht war.«
    »Ich weiß es nicht. Ich hoffe es nur, und es stimmt auch, daß ich mir nicht vorstellen kann, daß sie Matt umgebracht hat, aber ich weiß es nicht mit Sicherheit. Nichts von dem, was ich herausgefunden habe, und ich habe wirklich gründlich recherchiert, beweist, daß sie von alldem nichts getan hat.«
    »Aber es beweist auch nichts, daß sie es getan hat, und darum geht es doch, oder? Das ist es doch, was Powell beweisen muß.«
    Hardy nickte. »Theoretisch ja.«
    »Und das heißt?«
    »Das heißt, faktisch deutet eben doch einiges darauf hin, daß sie es getan hat. Das ist ja das Problem. Sie bekommt fünf Millionen Dollar, wenn sie freigesprochen wird, und sie hat ihren Mann vom Hals, der sie verprügelt hat, und -«
    »Und Matt?«
    »Sicher, wenn man einmal davon absieht ...« Wenn man einmal davon absah, daß Hardy wußte, daß es auf diesem Planeten ganze Heerscharen sogenannter Menschen gab, die durchaus dazu fähig waren, ihre Nachkommen ohne Gewissensbisse umzubringen. Er glaubte nicht wirklich, daß Jennifer zu ihnen zählte, aber ...
    »Ich glaube nicht, daß sie so jemand ist.«
    »Ich glaube es ebenfalls nicht, Fran, aber es ist nicht ausgeschlossen. Das ist alles, was ich sage.«
    »Aber es geht mir total gegen den Strich. Und es geht mir total gegen den Strich, wenn du das auch nur in Erwägung ziehst.«
    »Ich bin selbst nicht allzu glücklich darüber.«
    Sie saßen einander am Tisch gegenüber, das Abendessen war völlig vergessen. Hardy streckte eine Hand aus, und Frannie nahm sie. »Ich habe eine großartige Idee«, sagte er. »Wie wäre es, wenn wir Jennifer Witt oder den ganzen Quatsch vor Gericht sagen wir, ach, was weiß ich, fünf Minuten lang mit keinem Wort erwähnen? Und wenn wir es schaffen, machen wir die ganze Nacht so weiter.«
    Es war nicht leicht, aber später am Abend zahlte es sich auf köstliche Weise aus.

37
    Wie Hardy befürchtet hatte, bedeutete Anthony Alvarez Ärger für sie.
    Es war zudem keine große Hilfe, daß er mit seinem kurzgestutzten weißen Schnurrbart und dem rotbackigen, aber feingemeißelten Gesicht aussah wie Ricardo Montalban, der kosmopolitische Reklameheld für dieses Luxusauto - wie hieß die Marke doch gleich? - außer, daß Alvarez' schneeweißes Haar nicht wellig war, sondern militärisch kurz geschnitten. Sein Straßenanzug war sauber - weder zu aufgemotzt noch abgetragen. Sein Auftreten war entspannt und doch bestimmend, sein Wortschatz beeindruckend. Er hatte dreißig Jahre lang als Feuerwehrmann für die Stadt gearbeitet, bevor er vor sieben Jahren im Rang des stellvertretenden Kommandanten in Pension gegangen war. Den größten Teil der Zeit verbrachte er zu Hause und pflegte seine Frau, die infolge eines Lungenleidens bettlägerig war. Kurz gesagt, als Zeuge der Verteidigung wäre er ein Geschenk Gottes gewesen. Aber er war der Zeuge der Anklage - und in der Tat Powells Star.
    Auf die vorsichtigen Anstöße des Staatsanwalts hin erzählte er die ganze Geschichte noch einmal aus seiner eigenen Perspektive, sprach über die Schüsse. »Das war sehr ungewöhnlich. Die Straße ist meistens ruhig, und ein solches Geräusch, das war überraschend, aber ich habe mir nicht viel dabei gedacht. Aber dann beim zweiten Schuß, der unmittelbar darauf erfolgte, da dachte ich mir, ich muß mal rüber und nachsehen, ob irgend etwas Ernstes passiert ist.«
    »Und was haben Sie dann gemacht?«
    »Na ja, Marys Zimmer ... Mary ist meine Frau ... ist oben im ersten Stock, das zweite Zimmer nach hinten raus. Ich war oben bei ihr, hatte ihr etwas vorgelesen, und nach dem zweiten Schuß bin ich über den Flur zum Fenster am Ende der Treppe gegangen, das zur Straße hinausgeht - zum Olympia Way.«
    »Und haben Sie auf der Straße etwas gesehen?«
    »Ja. Ich sah eine Frau, die so etwas wie einen Jogginganzug anhatte und am Tor vom Haus der Witts stand, drüben auf der

Weitere Kostenlose Bücher