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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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Mensch ein menschliches Wesen nennen wollen, bitte schön, aber erwarten Sie von mir keine Tränen. Und ebensowenig Gnade.«
    Es klopfte an der Tür, Hardy trat zur Seite und öffnete sie. Es war Art Drysdale, Hardys alter Mentor, der offizielle Amtsleiter der Staatsanwaltschaft. »Ist hier alles in Ordnung? Wie geht's, Dismas?«
    »Uns geht's prima, Art«, sagte Powell ruhig. »Alles bestens. Nichts weiter als eine kleine Meinungsverschiedenheit unter Kollegen.«
    Drysdale blickte von einem zum anderen, hob die Hand und schloß die Tür hinter sich.
    »Sie denken wirklich, daß sie es getan hat, stimmt's? Wissen Sie, daß ihr Mann - Larry - sie geschlagen hat?«
    »Ja, und? Niemand hat je das Thema Gewalt in der Ehe zur Sprache gebracht. Freeman hat es nie getan.«
    »Wir hätten es tun sollen. Ich hätte es tun sollen. Jennifer hat es nicht erlaubt, aber das war ein Irrtum.« Fast hätte er gesagt, ein tödlicher Irrtum. »Sie dachte, das würde Vorurteile bei der Jury wecken und die Geschworenen glauben machen, daß sie es als Ausrede benutzt.« Er setzte sich und erzählte Powell die Kurzversion in groben Zügen. »Ich möchte einfach, daß Sie Notwehr in Betracht ziehen.«
    »Bringen Sie es im Verfahren zur Festlegung des Strafmaßes zur Sprache, und ich werde es in Betracht ziehen. Ich bin kein Monster, Hardy.«
    »Ich kann es nicht zur Sprache bringen. Ich habe Ihnen doch gerade erzählt, warum nicht.«
    »Sie können es nicht zur Sprache bringen?« Powell lehnte sich in seinem Stuhl zurück, soweit es ging, sah zur Decke und strich sich mit den Fingern auf seine typische Art durch die Mähne. Er nahm sich dafür Zeit, fuhr mit den Fingern mal hierhin, mal dorthin. Schließlich hörte er damit auf. »Das ist verdammt noch mal eine miese Masche.«
    »Versuchen Sie nicht, mir jetzt Schuldgefühle einzureden, von wegen, sie ist doch ein menschliches Wesen, Hardy. Um ehrlich zu sein, war es schon schwer genug, den Entschluß zu fällen, die Todesstrafe zu beantragen, aber ich habe mich von Anfang an strikt an die Regeln gehalten. Es ist mir scheißegal, in welches Licht Sie die Sache rücken wollen, wir reden hier darüber, uns über das System hinwegzusetzen, und was mich betrifft, ist dies hier ein Gespräch, das gegen die Standesregeln verstößt und jetzt auf der Stelle beendet ist.«
    Powell kam hinter seinem Schreibtisch hervor und stapfte zur Tür. Er zog sie auf. »Wir sehen uns vor Gericht«, sagte er. »Und nicht vorher.«
    Hardys erste Reaktion war, daß er sofort einen Drink brauchte. Sein Magen war verkrampft, er atmete flach. Er wartete mit dem Durst, bis er die Tür von Lous' Restaurant hinter sich zugezogen hatte, dann beschloß er abrupt, nichts zu trinken. Es war noch früh am Nachmittag, und ein oder zwei D rinks würden das Ende seines Tages bedeuten. Und er brauchte dringend alle Zeit, die ihm zur Verfügung stand.
    Er saß an seinem Schreibtisch und ging die verschiedenen Möglichkeiten durch.
    Lightners Idee , Sachverständige als Zeugen für Jennifers Schmerzen und Verletzungen durch die Hand ihres Ehemanns in den Zeugenstand zu rufen, war nicht schlecht - das konnte ihr Sympathien einbringen. Doch sobald Jennifer roch, woher der Wind wehte - und das würde nicht lange dauern —, würde sie entweder im Gerichtssaal Amok laufen oder auf der Aussage beharren, nie geschlagen worden zu sein.
    Wenn dem so war, was sollte er dann am nächsten Montag tun? Falls Powells Reaktion auch nur ein bißchen repräsen tativ war, hatte Jennifer im Gerichtssaal nicht viele Herzen gewonnen. Sie trug Sachen, die sie von den Durchschnitts bürgern trennten, saß die meiste Zeit über völlig ausdruckslos am Tisch der Verteidigung, hatte nicht in eigener Sache ausgesagt. Eine weitere von Freemans fragwürdigen Entscheidungen.
    Das Päckchen, das Donna Bellows per Boten geschickt hatte, wurde gebracht. Dankbar für die Ablenkung, öffnete Hardy das Päckchen, das kaum mehr enthielt als einen deprimierend dünnen Umschlag.
    Da war der Brief von Larry Witt an Donna Bellows. Dann der Begleitbrief zum Zeichnungsangebot. Schließlich enthielt er das Rundschreiben selbst.
    Liebe Donna,
    vielleicht können Sie einen Blick auf die beigefügten Unterla gen werfen. Wie Sie sehen werden, unterbreitet der Auf sichtsrat der BMG allen Ärzten (in der Broschüre werden wir »ehrenamtliche Mitarbeiter« genannt) das Angebot, sich in die neue gewinnorientierte Gesellschaftsform einzukaufen. Die Anteile kosten jeweils fünf Cent,

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