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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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rein, machen Sie es sich bequem.« Er kam halb aus dem Stuhl hoch, streckte ihm die Hand entgegen, konnte es sich erlauben, freundlich zu sein. Schließlich hatte er gewonnen. »Wie geht es Freeman? Ich hoffe, er nimmt's nicht so tragisch. Ich sollte ihn anrufen und ihm zu dem guten Kampf gratulieren.«
    Hardy machte die Tür hinter sich zu. Er lehnte sich dagegen, tat keinen Schritt auf den Stuhl zu, der vor dem Schreibtisch stand. »Dean«, setzte er an, »ich möchte einen Augenblick offen mit Ihnen reden. Nur unter uns, ist das in Ordnung?«
    Das Lächeln blieb, doch Powells Gesichtsausdruck veränderte sich ein wenig. Er setzte sich wieder. »Aber sicher, Mr. Hardy.«
    »Dismas reicht, wenn Dean reicht.«
    Das Lächeln wurde kurz angeknipst. Hardy hatte bisher nicht viel Glück mit der Auslegung von Powells Verhalten gehabt. Er konnte die Schuld dafür nicht einmal bei sich selbst suchen. Powell befand sich in einem ungewöhnlichen Dilemma - einerseits war er so sehr auf Stimmen aus, daß es schon fast weh tat, es mit anzusehen. Andererseits waren die beiden Männer Gegner. Es muß merkwürdig sein, dachte Hardy, das Gefühl zu haben, daß dein Gegner dich vielleicht zuletzt trotzdem wählen wird, dir zu wünschen, daß dein Gegner dich wählt, ja dich sogar sympathisch findet.
    »Dean ist gebongt«, sagte Powell. »Ich nehme an, Sie kommen wegen Jennifer Witt.«
    Hardy nickte. »Das Gespräch bleibt unter uns«, wiederholte er. »Ich möchte nicht, daß es als Vorverhandlung oder sonst irgendwie formell interpretiert wird, und es wäre mir lieb, wenn das, was wir jetzt sagen, dieses Büro nicht verläßt.«
    »Ich gebe Ihnen mein Wort.«
    Hardy hätte lieber »natürlich« oder »in Ordnung« gehört, oder irgend etwas anderes als: »Ich gebe Ihnen mein Wort«, was in seinen Ohren unaufrichtig, wenn nicht sogar ausgesprochen doppelzüngig klang. Dennoch, er war jetzt hier und entschlossen, die Sache voranzutreiben.
    »Ich wollte mit Ihnen über die Todesstrafe reden.«
    »Gut«, sagte Powell freundlich. »Reden Sie.«
    »Ich glaube nicht, daß sie gerecht ist.«
    Powell wartete.
    »Sie und ich, wir wissen beide, daß es Leute gibt, die draußen frei rumlaufen und Vorstrafenregister haben, die eine Meile lang sind, und im Vergleich zu denen Jennifer wie eine Kindergärtnerin aussieht. Und solche Kerle kriegen zehn Jahre für bewaffneten Raubüberfall im Wiederholungsfall und sitzen sechs ab.«
    »Das ist richtig. Das ist einer der Gründe, weshalb ich mich um das Amt des Generalstaatsanwalts bewerbe. Es muß aufhören. Wir brauchen größere Gefängnisse. Wir brauchen härtere Urteile.«
    Hardy hatte keine Lust auf eine Wahlrede. »Dean, ich will damit sagen, daß Sie über das Ziel hinausschießen, wenn Sie im Fall von Jennifer Witt die Todesstrafe beantragen.«
    Powell sah zu ihm hoch. »Eine Frau, die nicht nur einen, sondern zwei Ehemänner umgebracht hat« - er hob eine Hand, um Hardys Widerspruch abzublocken -, »da müssen wir nicht kleinlich auf den Buchstaben des Gesetzes herum reiten, Dismas. Sicher, David Freeman hat den Teil des Prozes ses zwar gewonnen, aber wo wir schon mal unter uns sind -wir kennen doch die Wahrheit. Machen wir uns nichts vor. Diese Frau hat zweimal kaltblütig einen Mord geplant und ausgeführt, um an Geld heranzukommen, und sie hat es in diesem zweiten Fall sogar fertiggebracht, ihren eigenen Sohn zu töten. Wenn das nicht ein Fall für die Todesstrafe ist, dann weiß ich es nicht.«
    Hardy stützte seinen Fuß gegen die Tür. »Haben Sie mit ihr gesprochen? Unter vier Augen?«
    »Warum hätte ich das tun sollen?«
    »Vielleicht um zu begreifen, daß sie ein menschliches Wesen ist.«
    Powell lehnte sich zurück. »Ich möchte Ihnen eine Frage stellen - haben Sie jemals versucht, sich das Verbrechen vor Augen zu führen ? Können Sie sich die Sorte Mensch vorstellen, die eine Pistole in die Hand nimmt und aus nächster Nähe ihren Mann erschießt und sich dann umdreht und« - Powell explodierte in rechtschaffenem Zorn - »ihr eigenes Kind umnietet? Können Sie sich das vorstellen?«
    »Sie hat es nicht getan, so ist es nicht gewesen ...«
    Powell schlug mit der Faust auf den Schreibtisch, sprang halb auf die Beine.
    »Blödsinn. Genau so war es doch. Die Geschworenen sagen, daß sie genau das getan hat. Ich habe es bewiesen. Über jeden verdammten berechtigten Zweifel hinaus.« Er gewann die Kontrolle über sich zurück, setzte sich wieder, sprach leiser. »Wenn Sie diese Sorte

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