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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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ich ein Idiot bin, wenn ich ihm nicht glaube.«
    »Trotzdem, Dean, dieser Verdacht steht seit Beginn des Prozesses im Raum.«
    »Natürlich. Es bestehen kaum Zweifel daran, daß er die Frau ein paarmal geschlagen hat. Doch davon steht kein Wort im Prozeßprotokoll.«
    »O doch, Dean. Mindestens einmal.«
    »Nicht bei Larry. Nicht beim zweiten Ehemann.«
    Ein wenig verärgert, vielleicht einfach nur ungeduldig, fauchte Locke: »Ich weiß, wer Larry ist.« Dann: »Was will er überhaupt damit? Hardy meine ich.«
    »Na ja, das ist es ja gerade - er sagt, daß Jennifer ihm verboten hat, die Sache vor Gericht zu erwähnen.«
    »Hat er auch gesagt, warum?«
    Powell zuckte die Schultern. »Sie sagt, das würde ihr einen Grund geben, Larry umgebracht zu haben, und sie hat es nicht getan.«
    »Sie will nur für die Berufung Vorsorgen.« Locke trank sein kleines Glas Wein aus, und Powell goß ihm noch ein wenig ein, wogegen Locke keinen Einwand erhob.
    »So interpretiere ich es ebenfalls. Sie schindet Zeit, und sie ist schlau, überlegt sich, daß sie auch die Morde zugibt, sobald sie zugibt, daß sie geschlagen wurde.«
    »Ich glaube nicht, daß sie jemanden umgebracht hat, weil sie geschlagen wurde«, sagte Locke.
    »Genau. Sie hat es wegen dem Geld getan. Zweimal.« Powell warf einen Blick über die funkelnde Stadt, man konnte bis nach Napa sehen. Er nippte an seinem Wein. »Ich wollte Sie nur vorwarnen. Ich glaube, auch Sie können sich auf einen Besuch von Mr. Hardy befaßt machen, der mit Ihnen sprechen will, um diese Sympathiereserven anzuzapfen, für die Sie zu Recht so berühmt sind.«
    Locke, der Hardy nie hatte ausstehen können, erlaubte sich den Anflug eines Lächelns. Er wischte sich mit der Serviette über die Lippen. »Wenn es nicht im Prozeßprotokoll steht, dann existiert es auch nicht, Dean. So jedenfalls halte ich es in meiner Behörde. Schon immer.«
    Powell war zufrieden. »Ja, Sir, ich weiß.« Er nickte. Locke hielt ihm sein Glas für die letzten Tropfen Meursault hin, und Powell schenkte ein.
    Wenigstens hatte Hardy ein paar Fragen gefunden, die er noch nicht gestellt hatte. Das gab ihm einen winzigen Grund zur Hoffnung.
    Nicht daß diese spezielle Frage - was sich in dem Federal-Express-Päckchen befand, und/oder wer es überhaupt geschickt hatte - mit der Sache viel zu tun zu haben schien. Doch sie könnte es. Und derzeit betrachtete er ein »könnte« bereits als ungemein gewichtig.
    Die Prozeßunterlagen stapelten sich in einem Halbkreis am Rand seines Schreibtisches, an einigen Stellen bis zu dreißig Zentimeter hoch.
    Die zweite Überlegung, die aufgetaucht war, betraf Phil L'iStephanos Arbeitskollegen. Glitsky hatte ihm von der Redneck-Atmosphäre erzählt, die in dem Klempnerladen herrschte. Hardy dachte, es bestand zumindest die Möglichkeit, daß in einer größeren Gruppe von Arbeitern durchaus ein Kerl auftauchen könnte, der seinen Stundenlohn durch den Nebenjob aufbesserte, Leute aus dem Weg zu räumen.
    Auch das war ziemlich aus der Luft gegriffen ... wer sagte denn, daß Arbeiter die Neigung zeigten, Auftragsmorde zu begehen - und davon abgesehen ging es Klempnern finanziell alles andere als schlecht. Doch was hatte er sonst? Wenn er von der Annahme ausging, daß Frannies Gefühle, ihre Überzeugungen stimmten - was jetzt der Fall war -, dann mußte er irgend etwas übersehen haben.
    Als das Telefon in eben dem Moment klingelte, schreckte er hoch. Er hatte gerade versucht, einen Weg zu finden, um einen von Phils Freunden zu kontaktieren: Hi, ich glaube, daß einer von Ihren Arbeitskollegen möglicherweise nebenbei Leute umlegt. Hat irgendwer schon mal irgendwas in der Richtung erwähnt? Höchst wahrscheinlich.
    »Hallo.«
    »Mr. Hardy, nicht wahr?« Die willkommene Stimme von Ali Singh, nicht daß dieser vermutlich Wissenwertes zu berichten wüßte.
    »Es ist jetzt zwar schon ein bißchen spät«, sagte Hardy, »doch wenn Sie noch nicht gegessen haben, würde ich Sie gern zum Mittagessen einladen.«
    Es war ein merklich anderes Ambiente als im Carnelian Room.
    Das Independent Inicorn war eines jener in den Avenues gelegenen Kaffeehäuser San Franciscos, die immer menschenleer zu sein schienen und sich dennoch bereits seit über dreißig Jahren an Ort und Stelle befanden. Ein Plakat gleich neben der Eingangstür kündigte für jeden Mittwochabend Dichterlesungen an, dazu Musikabende an einigen anderen, ohne festes System verteilten Abenden, an denen jedermann zum Mikro greifen durfte. In

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