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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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argumentieren. Ich möchte wissen, ob Sie bereit sind, das zu tun, oder nicht?«
    Hardy atmete hörbar aus. »Eine Hauptrichtung meiner Argumentation war, daß jemand anders die beiden umgebracht hat.«
    »Angesichts der Beweise, die Sie haben, würde ich sagen, daß Sie damit wahrscheinlich schlecht beraten waren.« Sie zupfte ihre Robe zurecht, warf einen Blick auf die Uhr an der Wand und wechselte das Thema. »Gut, meine Herren, es ist Viertel nach vier. Wir werden jetzt rausgehen und die Verhandlung für heute vertagen.« Sie deutete mit dem Finger auf Hardy. »Mr. Hardy, morgen erwarte ich Zeugen, die den Geschworenen etwas zu sagen haben. Hier zählen nur Beweise, Mr. Hardy. Das ist alles, was zählt.«
    Sie erhob sich und kam hinter dem Schreibtisch hervor, ging vor ihnen zur Tür, hielt fünf Schritte Abstand zu den Männern. Powell ließ sich Zeit, wartete, bis Hardy auf seiner Höhe war, und flüsterte dann: »Und Blödsinn quält.«
    Hardy verließ den Gerichtssaal mit gesenktem Kopf und herunterhängenden Schultern, sah weder nach rechts noch nach links. Es war alles verloren. Er hatte nicht nur seine Mandantin im Stich gelassen, er hatte auch seinen eigenen Ruf, wie bescheiden er auch sein mochte, befleckt, indem er die gerechteste Richterin, vor der er vermutlich je erscheinen würde, falsch eingeschätzt hatte.
    Aus dem Augenwinkel nahm er Powell wahr, der vor den Fernsehkameras stand. Er würde ein paar Sekunden auf Sendung mitnehmen und strahlend dastehen, aber er hatte keinesfalls im Sinn, sich über Villars' »Maulkorberlaß« hinwegzusetzen, nicht zu diesem späten Zeitpunkt und angesichts der Tatsache, daß alles bestens lief. Statt dessen ließ er sich darüber aus, was für ein riesiges Problem die Kriminalität darstellte, na prima, er hatte sich zu diesem Thema jede Menge Gedanken gemacht.
    Hardys Bedarf an Dean Powell war gedeckt. Er wollte sich in seinem Büro verkriechen, aber plötzlich stand ihm Inspec-tor Walter Terrell im Weg. Der Theoretiker. Hardy konnte ihn jedoch kaum dafür verdammen - er selbst war in dieselbe Falle getappt. Weil irgend etwas passiert sein konnte, hieß das noch lange nicht, daß es auch passiert war. Oder jedenfalls nicht, daß man es beweisen konnte. Seine Aufgabe, die Verpflichtung, die er auf sich genommen hatte, war, etwas zu beweisen, nicht zu spekulieren. Er hatte das Offensichtliche aus den Augen verloren.
    »Man hat mich runtergeschickt, um Sie abzufangen«, sagte Terrell rätselhaft. »Dort oben sitzt jemand, der mit Ihnen sprechen möchte.«
    Er blieb stehen. Es hörte nie auf. Was wollte Jennifer jetzt? Wie war sie so schnell nach oben gekommen? Dann tauchte eine andere Frage auf: Warum überbrachte Terrell ihm diese Nachricht?
    »Im sechsten Stock?« fragte er, womit das Untersuchungsgefängnis gemeint war.
    »Nein, im dritten.« Im dritten Stockwerk befand sich die Mordkommission. »Wir sprechen gerade mit der Mutter von Mrs. Witt. Ihr Dad ist vor ein paar Stunden gestorben. Sie hat nach ihrem Anwalt verlangt. Abe Glitsky hat ihr gesagt, daß er vielleicht weiß, wo Sie zu finden sein könnten.«
    Nancy war freiwillig mit zur Kriminalpolizei gekommen. Der Leiter der Mordkommission, Lieutenant Frank Batiste, war zur Stelle, ebenso Abe Glitsky und Sean Manion. Nancy wurde bisher noch nicht für den Tod ihres Mannes strafrechtlich verantwortlich gemacht. Niemand brachte vor, daß sie ihn umgebracht hätte, aber sie brauchten ihre Aussage, selbst wenn es Notwehr war.
    Nancy saß in einem der Vernehmungszimmer in einem niedrigen gelben Kunstledersessel am Tisch. Fein angezogen, mit zwei blauen Augen und einem Verband über der Nase, konnte sie glatt für fünfunddreißig durchgehen, ebenso wie ihre Tochter an einem guten Tag für eine Zwanzigjährige gehalten werden konnte.
    Hardy nickte den dort vor der Tür Versammelten kurz zu und erklärte, daß er als erstes fünf Minuten allein mit ihr sprechen müsse, betrat dann den Raum und schloß die Tür hinter sich.
    Zur Begrüßung brachte sie ein schwaches Lächeln zustande. Sofort sah er, daß sie sehr flach atmete, schlecht aussah, zu blaß war. »Geht es Ihnen denn gut genug? Dürfen Sie überhaupt herumlaufen?«
    Sie nickte. »Sie haben mich heute morgen entlassen. Ich bin nur noch ein bißchen schwach. Ich dachte, das hier würde weiterhelfen«, sagte sie. »Egal, ich dachte, wenn ich mit hierherkomme, kann ich vielleicht Jennifer besuchen.«
    »Das läßt sich vermutlich arrangieren. Aber was wollen

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