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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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von niedrigen Eichen und über den Kamm eines kleinen Hügels, verschwand dann aus dem Blickfeld.
    Es war nicht so schwierig gewesen, wie er erwartet hatte.
    Die Huntington Library hatte auch sonntags geöffnet (am Nachmittag jedenfalls), und dort gab es alte Hefte (Jahrgänge) der wöchentlichen Gesellschaftsnachrichten. Im letzten Jahr hatte es mehrere Wohltätigkeitsveranstaltungen im Haus von Margaret Morency gegeben.
    Pastille lag am Swan Court. Pastille war de r Name ihres Anwesens. Benannt nach den Bonbons aus Frankreich, die für frischen Atem sorgten. Vielleicht entsprach das ja dem Bild, das sich Ms. Morency von ihrem Zuhause machte - eine Kleinigkeit, ein bißchen Konfekt zur Beruhigung ihres Geistes.
    Hardy hielt mit seinem Mietauto vor dem Eingangstor an. Er mußte aussteigen, um zu läuten. Niemand hatte abgehoben, als er es zuletzt telefonisch versucht hatte, aber das war schon fast eine Stunde her. Vielleicht hatte sich zwischenzeitlich irgendwas getan. Falls nicht, würde er es noch mal bei Bachman versuchen und dann wieder hierherfahren. Irgendwas.
    Eine junge, tiefe Frauenstimme ertönte aus der Sprechanlage.
    »Ja.«
    »Ms. Morency?«
    »Ja.«
    Er hatte nicht den Eindruck, daß er eine lange Geschichte abspulen konnte. Er mußte sie sehen. »Ich habe Sie telefonisch nicht erreicht«, sagte er.
    Sie lachte. »Ich weiß. Ich lasse es einfach läuten. Ich weiß gar nicht, warum ich das Ding überhaupt behalte. Wer spricht da?«
    Hardy versuchte sein Glück. Er sei ein Bekannter Jodys.
    »Ach, einen Moment bitte.« Es ertönte ein Summen, und das Tor ging langsam auf. »Ich bin hinten am Pool. Sie finden es schon.«
    »Sonntags hat mein Personal frei.«
    Sie saßen unter einem Sonnenschirm auf Gartenstühlen mit dicken Polstern. Zwei Karaffen, an denen das Kondens-wasser herunterlief - Eistee und Limonade -, standen auf einem Tablett auf dem Tisch. Sie hatte Kristallgläser aus der
    Bar in dem Pavillon vorn am Kopfende des Pools geholt und ihnen beiden Limonade eingeschenkt.
    Es war ungehobelt, Hardy wußte das, aber als er ihr die Hand schüttelte, war seine erste Reaktion gewesen, daß er schon anderswo hübschere Blumen gesehen hatte - auf Bier. Debütantin vom Orange Court hin oder her, sie hatte eines dieser Gesichter, die nicht richtig stimmen, ein Kinn, das um ein Haar lediglich sehr ausgeprägt gewesen wäre, aber kraß hervorstach. Eine Spur zuviel Flaum auf den Wangen. Eine Stirn, die einen Zentimeter zu früh am Haaransatz endete. Wenn man zu den Superreichen zählte, konnte das eine Menge Sünden kaschieren.
    Außerdem hatte sie augenscheinlich die Kunst perfektioniert, die Aufmerksamkeit von ihrem Gesicht abzulenken. Glänzendes blondes Haar wallte bis zu den Schultern hinunter. Sie hatte ein schwarzes Bikiniunterteil an und dazu ein weißes Oberteil, das ihren Busen bedeckte, wie ein Büstenhalter aussah. Das Oberteil war durchsichtig. Ein Goldkettchen schmiegte sich um ihre flache, sonnengebräunte Taille. Sie war barfuß und hatte lange, wohlgeformte Beine; ein weiteres diskretes Goldkettchen schmückte den einen Knöchel. Hardy bemerkte das Oberteil des Badeanzugs, das auf ein paar Pflastersteinen neben dem Blumenbeet auf der anderen Seite des Pools lag. Sie hatte offensichtlich oben ohne gebadet und in der Sonne gelegen.
    »Ich bin hier gerne allein.«
    Allein waren sie allerdings. Kein anderes Haus in Sichtweite. Nur Bäume, der Pool, der manikürte Garten und die weite Rasenfläche dahinter, die prächtige Villa in ihrem Rücken, der strahlendblaue Himmel. Ein Düsenflugzeug flog hoch über ihnen vorbei.
    »Woher kennen Sie Jody«, fragte sie.
    Hardy tat jeder einzelne Knochen im Leibe weh. Er spürte, wie ihm der Schweiß zwischen den Schulterblättern hervortrat, als das Fieber erneut hochschnellte. Er nippte an seiner Limonade und lächelte matt. »Ich fürchte, ich bin ebenfalls Rechtsanwalt.«
    Sie hatte ein großartiges Lachen, dachte er bei sich - tief, aus voller Kehle, unverkrampft. Sie warf den Kopf in den Nacken und war anscheinend entzückt. »Anwälte schrecken vor nichts zurück«, sagte sie, »zumindest behauptet Jody das.«
    »Dieser Anwalt schon.«
    »Wovor schrecken Sie denn zurück, Mr. Hardy?«. Sie sah ihm geradewegs in die Augen, die tiefen Augen eine Spur zu dunkel. »Sie sehen so aus, als ob Sie ganz gut auf sich aufpas sen können.«
    »Jetzt im Moment setzt mir eine Erkältung mächtig zu. Ich komme mir vor, als könnte mich ein Achtjähriger ohne nen

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