Das Urteil
ganz. »Warum bin ich hergekom men?« sagte er, halb zu sich selbst.
»Warum sind wir hier? Was ist das Leben? Die großen Fragen. Das ist es, weshalb ich Sie mag. Wie ist es mit einem Mit tagessen? Ich sterbe vor Hunger.«
»Ich glaube nicht, daß ich etwas essen kann.«
»In Ordnung.« Freeman ging dennoch zum Kühlschrank und begann herumzukramen.
»Jetzt fällt's mir wieder ein.« Diesmal gelang es Hardy, sich aufzurichten. Er zog die Decke um sich fest. »Jody Bachman hat sieben Millionen Dollar rausgeholt.«
Das Rumoren hörte auf.
»Fünfzigtausend Anteile«, sagte Hardy.
Freemans Kopf tauchte über der Tür des Kühlschranks auf. »Welches von beiden?« fragte er.
»Beides.«
»Wollen Sie damit sagen, er hat sieben Millionen Dollar plus fünfzigtausend Aktien bekommen?« Er schüttelte den Kopf. »Wir haben den falschen Beruf.«
»Nein, er hat fünfzigtausend Aktien bekommen, die sieben Millionen Dollar wert waren, wie sich später rausstellte.«
Freeman gab sein Herumstöbern auf, durchquerte das kleine Wohnzimmer und setzte sich ans Ende der Couch. Sein Gesicht sah plötzlich besorgt aus. Er kratzte sich an den Bart stoppeln. »Er hat Aktien als Bezahlung angenommen? Ist er der Kanzleichef dort unten?«
»Ja, er hat Aktien angenommen. Nein, er ist nicht der Kanz leichef. Warum?«
Freeman lehnte sich zurück. »Welchen Wert hatten die An teile?«
»Jeder fünf Cent«, sagte Hardy. »Was denken Sie?«
»Ich denke, daß Sie vielleicht etwas gefunden haben.«
»Ich dachte das auch.« Hardy wußte exakt, was er sich dachte, aber er wollte gern eine Bestätigung von außen. Er hatte sich zu oft aus dem Fenster gelehnt, ohne daß er die Tatsachen hieb- und stichfest benennen konnte. Das sollte nicht noch einmal passieren. »Ich bin aber nicht sicher, ob ich weiß, was es bedeutet.« Er wartete ab.
Der Gedanke, die Schlußfolgerung schien in Freemans Kopf geradezu Knospen zu treiben. Er stand auf und ging zum Fenster, besah sich eingehend den Nebel. Hardy ritt einen weiteren Schüttelfrostanfall ab, merkte dann, daß er schweißgebadet war. Er warf die Decke ab, doch dann bekam er wieder Schüttelfrost.
Als Freeman sich umdrehte, war Abscheu auf seinem Gesicht zu lesen. »Sie sehen entsetzlich aus.« Nachdem er das gesagt hatte, setzte er sich in Bewegung, kam zur Couch zurück, setzte sich dicht neben Hardy und erklärte ihm, was er sich überlegt hatte.
Große Anwaltskanzleien wie Crane & Crane erlaubten es ihren Angestellten und Juniorpartnern normalerweise nicht, Aktien, die im Grunde wertlos waren, als Ausgleich für sofort realisierbare Stundenhonorare anzunehmen. Jody Bachman, jung und ehrgeizig, hatte irgendwie eine Abmachung mit PacRim getroffen, oder aber er wußte, daß PacRim ein mög licher Aufkäufer für die BMG war. Freeman sagte, er sei sich be züglich der Details nicht sicher - wer könnte das schon? -, aber Bachman mußte der Ärztegruppe dann seine Idee mit dem Aktienkontigent schmackhaft gemacht haben.
Was alles wunderbar gewesen wäre, außer daß Simpson Crane, der Kanzleichef von Crane & Crane, dagegen war. Bach man steckte mehrere hundert Stunden anrechenbarer Honorarzeit in die Sache und brachte für seine Bemühungen nicht einmal zehn Cent. Und seine Begründung dafür stank. Es war möglich, daß Simpson ihn deswegen zur Rechenschaft gezogen hatte, oder Bachman konnte zu Simpson gegangen sein und ihn wegen des Aktiengeschäfts um Erlaubnis ersucht haben. Doch wenn Simpson Crane es sich zur Gewohnheit macht, Anteile mit einem maximalen Nennwert von zweitausendfünfhunderf Dollar anstelle eines garantierten Honorars von fünfundsiebzigtausend Dollar in bar anzunehmen, würde er nicht mehr lange Besitzer einer Anwaltskanzlei sein.
Er würde Nein gesagt haben. Und das hätte Jodys Pläne ruiniert - sowohl was ein Vorwärtskommen in der Kanzlei als auch sein persönliches Vermögen betraf. Es hätte vielleicht so gar die Verlobung mit seiner Freundin Margret Morency gefährdet, der Millionärin aus der High Society.
Falls Simpson Crane das einzige war, was zwischen Bach-man und allem, wofür er gearbeitet hatte und was er beruflich und persönlich erreichen wollte, stand, und falls Simpson gedroht hatte, die Sache zu vereiteln, wäre das nicht vielleicht ein Motiv für Mord? Simpson könnte ihm sogar gedroht haben, ihn auf der Stelle vor die Tür zu setzen. Freeman hätte das mit Sicherheit getan.
»Also. Da hätten wir's«, schloß Freeman. »Was halten Sie
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