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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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hatte lediglich ein Büro gemietet.
    Er kam und ging eher unregelmäßig und fing allmählich an, sich so zu verhalten, als ob er ihr vertraute, was er selbstverständlich auch konnte, obgleich sie zunächst etwas ver-grätzt gewesen war, als David vorgeschlagen hatte, Hardy könne sie ebenfalls als seine Sekretärin betrachten. Aber auch das klappte zufriedenstellend. Hardy saß oben im dritten Stock und hielt die Verbindung zu ihr durch die Sprechanlage, die er nur selten benutzte.
    Trotzdem war es etwas Ungewohntes, wenn sie ihm Auskünfte gab, bevor sie dies mit David abgesprochen hatte. Jetzt war ihr Chef - Freeman würde immer ihr Chef bleiben - bei Gericht, und hier stand Dismas Hardy und fragte beiläufig, wie Jennifer eigentlich an die Kanzlei verwiesen worden war. Sie hatte gedacht, er wüßte es bereits. Nun ja, es war keine große Sache - er kam einfach von irgendwoher die Treppe hochspaziert, hatte mit den Fingern geschnippt, kehrtgemacht und war vor ihrem Schreibtisch stehengeblieben.
    Jennifer Witt war Davids Mandantin, daran gab es keinen Zweifel, auch wenn Phyllis sich erinnerte, daß es ungefähr im ersten Monat oder so gewesen war, seit Hardy das Büro gemietet hatte, als sie ihn anrief, nachdem sie David bei Gericht angepiepst und der ihr gesagt hatte, sie solle Hardy rüber-schicken, damit er sich mit Jennifer im Gefängnis treffen konnte. Aber wenn Phyllis irgendwas in den zweiunddreißig Jahren in diesem Metier gelernt hatte, dann war es, daß Informationen die klingende Münze im Reich der Juristen waren und ihre Verbreitung sich - fast immer - strikt auf das Allernötigste beschränkte.
    »Es kam mir eben in den Sinn«, sagte Hardy, »daß ich die ganze Zeit alles mögliche über diese Frau herauszufinden versuche und dabei noch nicht mal weiß, wie wir überhaupt mit ihr zu tun bekamen. Sehen Sie, sie hat bei unserem ersten Treffen gedacht, ich wäre David, hat ihn demnach auch nicht gekannt, hab ich recht?«
    Phyllis lächelte und rückte ihre Brille zurecht. »Haben Sie sie denn nicht gefragt?«
    Er lehnte sich gemütlich gegen die Trennwand, die ihren Schreibtisch vom Treppenhaus abschirmte. »Soweit ich mich erinnere, sagte sie etwas von den Anwälten ihres Mannes, aber ich weiß nicht, welche Kanzlei das ist.«
    »Sie konnte es Ihnen nicht sagen?«
    »Sie hätte es gekonnt, wenn ich hinüber zum Justizpalast gefahren wäre und vier Dollars für den Parkplatz berappt hätte, dann sechs Stockwerke im langsamsten Fahrstuhl Amerikas hochgefahren wäre, mich hätte filzen lassen und von der Wärterin ins Frauengefängnis reingelassen worden wäre und eine Viertelstunde auf Jennifer gewartet und ihr dann die Frage gestellt hätte.« Er wußte, daß er sie bezirzte, und sonderbarerweise wußte sie es ebenfalls und hatte nichts dagegen. Jetzt grinste er offen. »Sie lassen mich auflaufen, Phyllis. Ich spüre das ganz deutlich.«
    Donna Bellows, ein Mitglied der Anwaltskanzlei Goldberg, Müllen & Roake, hatte die Empfehlung ausgesprochen. Hardy rief sie aus seinem Büro an, zwei Stockwerke über Phyllis.
    Es war mitten in der Woche, mitten am Nachmittag, und er bekam sie sofort an den Apparat. Er nannte seinen Namen und war frappiert, daß auf der Stelle ein kalter Ton in ihrer tiefen Stimme zu hören war.
    »Vielleicht war es damals nicht klar, Mr. Hardy, aber nicht nur übernimmt unsere Kanzlei nur ganz wenige Strafrechtsfälle, sondern ich persönlich wollte nichts mit Mrs. Witt zu schaffen haben, bin daher auch nicht geneigt, eine große Hilfe zu sein. Tut mir leid.«
    »Haben Sie sie denn gekannt? Persönlich?« Er mußte sie am Reden halten, oder sie war weg, und er hatte eine Sache, auf die er zu sprechen kommen wollte.
    »Ich bin ihr nie begegnet. Ich will es auch nicht. Es tut mir leid, aber wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen ...«
    »Bitte, wenn ich darf - eine rasche Frage. Können Sie mir irgend etwas über Crane & Crane erzählen? Gibt es da irgendeine Verbindung zu Dr. Witt?«
    Stille, sie traf ihre Entscheidung. Hardy wußte, daß er und Mrs. Bellows nicht wirklich Gegner waren. Sie mochte Loyalität - oder auch mehr - für ihren Mandanten Larry Witt empfunden haben, aber gute Anwälte versuchten im Umgang mit ihren Kollegen zumindest die professionelle Höflichkeit zu wahren. Hardy zählte darauf. Er hörte sie seufzen, daß sie diese widerwärtige Unterhaltung fortführen mußte.
    »Na schön, tut mir leid, Mr. Hardy. Ich mochte Larry Witt. Ich habe die Zeitungen gelesen

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