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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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»Hallo?«
    Es hatte wirklich nichts damit zu tun, ob sie ihn liebte. Sie liebte ihn, sein Gesicht, seinen Körper, seine gelassene Art, Dinge anzupacken. Es war einfach so, daß sie etwas mehr von sich selbst in ihrem Leben brauchte.
    »Ich bin da.« Sie küßte ihn auf die Wange.

23
    »Molly.«
    Es war Freitag früh, im Wohnzimmer bei Freeman, und Hardy hatte es sich in einem der Ledersessel bequem gemacht, während Freeman in seinem kastanienbraunen Morgenmantel am Küchentisch Fragen abhakte und sich mit Bleistift Notizen machte.
    »Molly war im Dezember nicht hier. Sie hatte noch nicht einmal gehört, daß er tot ist, oder sie ist eine noch bessere Schauspielerin als unsere Mandantin.«
    »Wie hat sie es aufgenommen?«
    »Ich glaube, es würde mich deprimieren, falls die Nachricht von meinem Tode derart freudig begrüßt würde.«
    Freeman zog fragend die buschigen Augenbrauen in die Höhe.
    Hardy fuhr fort. »Sie haßte ihn bis aufs Blut, selbst nach all den vielen Jahren. Er hat auch sie regelmäßig geschlagen.«
    Wieder gingen die Augenbrauen in die Höhe. »Aber er hat Jennifer nicht geschlagen.«
    Hardy verzog keine Miene. »Das ist unsere Verteidigungsstrategie, stimmt's? Er hat sie nicht geschlagen. So sagt sie jedenfalls.«
    »Hat ihr nie auch nur ein Härchen gekrümmt.«
    Hardy hatte schließlich mit Molly, Larrys erster Frau, gesprochen. Sie lebte inzwischen in Fargo in North Dakota und arbeitete als Berufsberaterin. Sie hatte nicht wieder geheiratet und seit fünf Jahren nichts von Dr. Witt gehört oder gesehen. »Ich schätze, wir könnten jemanden nachprüfen lassen, ob sie über Weihnachten in North Dakota war, aber ich gehe jede Wette ein, daß sie dort gewesen ist. Die Nachricht von Larrys Tod hat ihr wirklich große Freude bereitet.«
    Freeman legte den Bleistift aus der Hand und starrte zum Fenster hinaus. »Lassen Sie uns eine Minute innehalten, Diz. Was für ein Dreckskerl war dieser Typ?«
    Die Beine übereinandergeschlagen und bequem zurückgelehnt, ließ sich Hardy eine Weile Zeit. »Nach allem, was man hört, war er ein vorbildliches Mitglied der Gesellschaft und Arzt aus Leidenschaft, ein Mustervater und fürsorgliches Familienoberhaupt. Er hat nur zufällig seine Ehefrauen verprügelt.«
    »Glauben Sie das wirklich?«
    »Sie nicht?«
    »Ich habe keine Ahnung, warum Jennifer sich nicht darauf einläßt. Selbst wenn der Gesetzgeber nichts davon hält, besteht eine gute Chance, daß eine Jury sie laufen läßt, und gar keine Chance, daß sie zum Tod verurteilt wird. Powell würde es nicht beantragen.«
    Freeman bezog sich, wie Hardy wußte, darauf, daß die Volksvertretung von Kalifornien kürzlich einen Verfassungszusatz abgelehnt hatte, der das »Battered Woman Syndrome« als legitimen Milderungsgrund für Mord gesetzlich verankert hätte. Weil die Gerichte dies ohnehin häufig akzeptierten, gab es einschlägige Präzedenzfälle, und daher war die Angelegenheit im Grunde müßig, trotzdem war dieser Schritt des Gesetzgebers - bzw. das Ausbleiben solch einen Schrittes - ein klarer Rückschlag für die Befürworter dieser Verteidigungsstrategie. »Ich kann einfach nicht begreifen, wieso sie sich dagegen sträubt.«
    Hardy konnte jetzt alle von Lightner vorgebrachten Erklärungen durchhecheln, aber der Knackpunkt war immer wieder Jennifers Behauptung, daß sie, sofern sie zugab, daß Larry sie schlug, auch einen Grund gehabt hätte, ihn umzubringen, weswegen eine Jury sie möglicherweise verurteilen könnte.
    »Aber das ist es ja gerade«, fuhr Freeman fort, »mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit - zum Teufel, nein, mit größerer Wahrscheinlichkeit - würde man sie freisprechen!« Er stand auf und streckte sich, setzte sich wieder hin. »Aber glauben Sie denn, daß er sie geschlagen hat?«
    »Ja, unbedingt. Er war jemand, der alles zwanghaft unter Kontrolle haben mußte. Wenn sie Ärger machte, hat er ihr ein paar gescheuert.«
    »Und sie hatte wirklich das Gefühl, sie könne ihn nicht verlassen? Sie müsse dableiben und es schlucken?«
    »So sieht's typischerweise aus, David. Traurig, aber wahr. Er hätte sie wieder aufgespürt, wenn sie abgehauen wäre. Er hätte ihr das Kind weggenommen. Er hätte sie umgebracht, wenn sie es versucht hätte. All das wäre möglich.«
    »Also hat sie ihn zuerst umgebracht. Es hat bei Ned geklappt, dann sollte es auch bei Larry hinhauen, stimmt's?«
    Hardy zuckte die Achsel. »Sie sagt nein.«
    »Tja.« Der Bleistift klopfte einen Trommelwirbel auf

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