Das Urzeit-Monstrum
anderen Masse bestanden. Sie waren irgendwie gummiartig geworden. Bei jedem Schritt überkam ihn der Eindruck, noch etwas hinter sich herzuziehen, das er selbst jedoch nicht sehen konnte.
Mühsam ließ er sich in einen Sessel fallen. Er streckte die Beine aus, blieb in dieser Haltung sitzen und fing damit an, seinen Körper abzutasten.
Die Oberschenkel, den Bauch, die Rippen, auch die Arme und sogar die Schultern. Es war alles vorhanden, nichts fehlte, wie er müde lächelnd feststellte, und doch fühlte sich sein Körper anders an als sonst. Er war viel weicher geworden. Er konnte ihn sogar eindrücken, weil ihm die Haut dicker vorkam. Aufgequollen, als hätte sich eine andere und weiche Masse daruntergeschoben.
Beckmann schüttelte sich.
Schon diese leichte Kopfbewegung störte ihn, weil er hinter seiner Stirn etwas fühlte, das er sich ebenfalls nicht erklären konnte. Durch die Bewegung schien sich im Kopf einiges gelöst zu haben, das nun hin-und herschwang wie ein dicker Klumpen Gelee, der erst nach und nach zur Ruhe kam, als hätte er sich zuvor noch auspendeln müssen.
Er preßte seine Hände gegen den Schädel und zwang sich zur Ruhe. Er wollte und brauchte die Ruhe. Die Entspannung war wichtig, um sich auf den neuen Abschnitt in seinem Leben richtig einstellen zu können. Boris Beckmann war fest davon überzeugt, daß es von nun an die großen Veränderungen gab.
Die letzte Nacht war wichtig gewesen. Er wußte, daß er Besuch bekommen hatte. Jemand war bei ihm gewesen. Kein Mensch, weder eine Frau noch ein Mann, sondern etwas, das er nicht kannte, das ihm aber trotzdem nicht unbekannt war.
Einen Besucher, den er erschaffen hatte. Er hätte demnach eigentlich seiner Phantasie entspringen müssen, das wäre logisch gewesen, doch es war nicht so gewesen.
Er hatte ein Bild gemalt. Einen Hintergrund und einen Vordergrund. Und in diesen Vordergrund hinein hatte er das Phantasie-Wesen gesetzt, wie er es immer getan hatte in all den Jahren, als er seine kreativen Motive auf die Leinwand brachte.
Sein Werk. Seine Schöpfung.
Es stimmte nicht. Nicht in diesem Fall. Hier war einiges anders gelaufen.
Zwar hatte er das Wesen gefunden, im nachhinein jedoch mußte er sich eingestehen, daß es schon lange in seinem Innern geschlummert hatte.
Dieses Wesen war keine Schöpfung von ihm. Er hatte es nicht erfunden.
Es hatte schon existiert, seit Urzeiten vielleicht, nur war es ihm gelungen, oder seinem Geist, dieses Ding aus der Tiefe der Vergangenheit zurückzuholen.
Durch seine Kunst hatte er es der Nachwelt präsentieren wollen, aber es lief nicht so wie bei den anderen Motiven seiner Bilder.
Zu diesem letzten hatte er eine besondere Beziehung.
Es gab da eine Affinität, mit der Beckmann nicht zurechtkam.
Warum?
Genau bei dieser Frage hakte sein Gedächtnis. Er kam nicht mehr weiter. Es gelang dem Maler nicht, die Erinnerung aufzuwühlen, denn an einem bestimmten Punkt war Schluß. Da waren seine Möglichkeiten verbraucht, und andere Kräfte übernahmen die Kontrolle. So sehr Boris auch nachdachte, er kam auf keine Lösung. Die andere Macht hatte ihn aus dem Spiel gepokert.
Wie sollte es jetzt weitergehen?
Es lag nicht an ihm. Er übte die Kontrolle nur bis zu einem gewissen Punkt aus, alles andere erledigte die Macht oder die Kraft, die er sich nicht erklären konnte.
Sie war aus einer anderen Welt oder Zeit zu ihm gedrungen und fing nun damit an, ihn zu beherrschen. Das andere war der Chef, und er fühlte sich nur als dessen Diener.
Es gab morgendliche Stunden in seinem Leben, da trieb es ihn förmlich an seinen Arbeitsplatz. Zu dieser Stunde jedoch nicht. Da blieb er hocken und versuchte, über sein neues Schicksal nachzudenken. Daß ein gewisser Weg vor ihm lag, stand auch fest, nur konnte er ihn aus eigenem Antrieb nicht mehr gehen, das mußte er jetzt der anderen Macht überlassen.
Aber er konnte sich erheben, was er auch tat, und er quälte sich ächzend aus seinem Sessel hoch. Schwankend blieb er vor ihm stehen, die ungewöhnliche Füllung in seinem Kopf drückte ihn nach vorn, so daß er für eine Weile auf seine Füße starrte.
Um atmen zu können, mußte er den Mund weit öffnen, denn die Nase saß zu.
So saugte er den Atem ein. Immer und immer wieder, und Beckmann konzentrierte sich dabei auf den Speichel in seinem Mund, der so anders schmeckte als gewöhnlich. Viel bitterer. Zudem war er auch dicker geworden, als hätte er ihn in Gelee verwandelt.
In der Nähe stand ein
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