Das Vampir-Pendel
ist das so?«
»Ich besitze das Pendel nicht mehr. Ich bin schutzlos. Die Feinde können mich überfallen, ohne daß es mir gelingt, mich zu wehren.«
Marek überlegte einen Moment. »Ja, du hast recht«, sagte er dann. »Du bist jetzt schutzlos. Das braucht aber nicht so zu bleiben. Ich kann dir das Pendel zurückgeben und…«
»Nicht, bitte nicht. Es gehört dir. Ich habe es dir geschenkt. Du kannst es besser gebrauchen.«
»Aber ich kann mich verteidigen.« Marek ließ den Widerspruch nicht gelten. »Man hat mir nicht grundlos den Namen Pfähler gegeben. Ich trage den Pflock immer bei mir, und seine Spitze hat so manches Vampirherz zerstört.«
»Das muß auch so sein, Marek, denn du bist der Pfähler. Du und kein anderer.«
»Trotzdem möchte ich, daß du das Pendel wieder an dich nimmst.«
Marek streckte seine Arme aus und nahm Schwung, um auf die Beine zu kommen. Er mußte sich aber noch mit einer Hand abstützen. Dann erst stand er vor dem Fell und mußte zunächst einmal stehenbleiben, um den leichten Schwindel auszugleichen, der ihn ärgerte. Man ist eben nicht mehr der Jüngste, dachte Marek, bevor er sich überwand und auf das Lager des alten Juri zuging. Das Pendel hing dabei vor seiner Brust, es schwang auch hin und her, was allerdings allein darauf beruhte, daß er selbst ging. Neben dem Bett blieb Marek stehen.
Der alte Juri ›schaute‹ ihn an und schüttelte den Kopf. Obwohl er Marek nicht sehen konnte, hatte dieser das Gefühl, vom Blick des Mannes getroffen zu werden, was möglicherweise an den schlechten Lichtverhältnissen lag, denn es war kaum zu sehen, daß ein Blinder im Bett lag.
Juri streckte seinen Arm über die Bettkante hinweg. »Ich weiß, daß du es gut mit mir meinst, Marek, aber bitte nicht. Ich möchte es nicht haben, es gehört dir.«
»Nur für diese eine Nacht noch, Juri.«
»Nein, auch dann nicht.«
»Aber…«
»Vielleicht später – ja?«
Frantisek runzelte die Stirn. »Was meinst du mit später, Juri?«
Der Mann lächelte. »Das wirst du doch wissen, Frantisek. Ich kann mir denken, daß du nicht nur in dieser Hütte bleibst. Du wirst nach Milan sehen wollen, was ich als richtig empfinde. Schau dich auch draußen um, vertraue dabei auf dein Pendel. Es wird sich melden, wenn das Böse in der Nähe ist.«
»Leuchten die Augen?«
»Ja, zuerst. So wurde es mir beschrieben. Aber dann, wenn du es in der Hand hältst, ich meine, die Kette festhältst, wirst du erleben, daß es nach links und rechts ausschwingt. Je mehr du dich der Quelle des Bösen näherst, um so stärker werden die Schwingungen sein. Sie werden dich an den Ort hinführen. Etwas anderes gibt es nicht. In diesem Stein steckt eine Kraft, die kaum zu beschreiben ist. Freue dich darüber. Ich brauche es nicht mehr…«
»Gut, du hast mich zwar nicht überzeugt, aber ich werde auf deinen Vorschlag eingehen. Wenn ich zurückkomme, lege ich es dir auf die Brust. Ist das in deinem Sinne?«
»Für diese Nacht schon«, erwiderte Juri schwach.
Es gefiel Marek nicht. »Deine Antwort hat nicht sehr überzeugend geklungen.«
»Ich weiß. Aber ich möchte mich nicht gern wiederholen. Ich habe dir schon einmal gesagt, daß der Tod seine Sense bereits geschärft hat, um mich holen zu können.«
»In einigen Jahren vielleicht.«
Aus Juris Mund drang ein Geräusch, das weder ein Lachen noch ein Keuchen war. Es lag so zwischen den beiden, und der Blinde schüttelte den Kopf. »Nein, Frantisek, ich weiß schon, wann meine Uhr abgelaufen ist. In dieser Nacht wird es passieren.«
»Ich halte dagegen.«
»Das ist nobel von dir, aber geh jetzt bitte.«
»Bis gleich.« Mit einem unwohlen Gefühl in der Magengegend drehte sich der Pfähler um und suchte den Weg zur Tür, die er nicht ganz geschlossen hatte.
Durch den schmalen Spalt sickerte das fahle Mondlicht und zeichnete eine Gerade nach, die auf dem Boden noch einen hellen Streifen in die Hütte hineinwarf.
Marek zog die Tür auf, um nach draußen gehen zu können. Nach zwei Schritten blieb er bereits stehen. Er schaute sich um, weil er Milan suchte.
Den Soldaten sah er nicht.
Der Pfähler wußte allerdings, wo sich der junge Mann gern aufgehalten hatte. Es gab den Baumstumpf, der wie ein kleiner Tisch oder ein Sitzmöbel aus dem Boden wuchs. Wahrscheinlich saß er dort und wartete darauf, daß etwas passierte.
Marek kam die Nacht vor, als wäre sie mit dichten, wattigen Schatten gefüllt. Über den Bäumen stand ein blasser Mond. Sterne funkelten in
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