Das Vampir-Pendel
Auf der Karte war der weitere Weg eingezeichnet.
Nach rechts mußte ich mich in den Wald hineinschlagen, was ich auch tat. Dann bekam ich das Gefühl, durch ein stockfinsteres Labyrinth zu laufen, indem zahlreiche Fallen aufgebaut worden waren. Ohne Licht war es kaum möglich, all die Hindernisse zu umgehen, die sich mir in den Weg stellten. Wobei die meisten aus Zweigen und Ästen bestanden.
Endlich hatte ich den Rand eines Hangs erreicht, und ich hörte das Plätschern des Wassers.
Ich schaute noch einmal auf der Karte nach, um ganz sicher zu gehen.
Es stimmte, ich stand an der richtigen Stelle. Der Bach war ebenfalls eingezeichnet. Ich mußte ihn überqueren, um zur Hütte zu gelangen.
Leider konnte ich nicht fliegen. Zum Glück war der Hang nicht besonders steil, und wenig später schon stand ich vor dem Bach, der breiter war, als er von oben ausgesehen hatte. Eine Brücke oder einen Steg gab es nicht. Dafür einige Steine, die aus dem Wasser ragten. Ich würde sehr aufpassen müssen, wenn ich das Gewässer überquerte.
Schwaches Mondlicht sorgte für halbwegs gute Sicht. Das Wasser floß schnell, und durch den Lichtschimmer sah es aus, als würden geheimnisvolle Wesen aus einem Elfenreich mit hellen, durchsichtigen Körpern über die Oberfläche tanzen.
Ich tanzte auch.
Und zwar von Stein zu Stein. Dabei nie springend, denn ich versuchte immer, die nächst sichere Stelle mit einem normal großen Schritt zu erreichen, was mir auch glücklicherweise gelang.
Mit nassen Schuhen stand ich schließlich auf dem anderen Ufer.
Wo lag die Hütte?
Links von mir, wie ich mit einem letztmaligen Bück auf die Skizze feststellte. Nur wollte ich nicht auf dem direkten Weg hingehen, sondern mich wie ein Dieb anschleichen. Das heißt, ich mußte einen großen Bogen schlagen.
Zu hören war nichts. Keine fremden Geräusche, keine Schreie, nichts, was auf einen Kampf hingedeutet hätte.
Seltsamerweise beruhigte mich das nicht. Es ließ ein gewisses Unwohlsein in mir hochsteigen. Der Wald war finster.
Meine kleine Leuchte schaltete ich nicht ein, und so machte ich mich im Dunkeln auf den Weg. Dabei wußte ich nicht, daß ich mich durch diese Aktion vom eigentlichen Ort des Geschehens fortbewegte. Aber wer konnte das schon ahnen…?
***
Die Augen glühten!
Frantisek Marek war aufgeregt wie selten in der letzten Zeit. Er wollte es genau sehen, ließ das Pendel um seinen Hals hängen, hob aber den Stein an und hielt ihn vor sein Gesicht.
Ja, da waren die beiden Kreise deutlich zu erkennen, als wollten sie Pupillen nachzeichnen, die so nicht vorhanden waren. Nur eben die beiden roten Kreise, deren Glut weder schwächer noch stärker wurde, sondern einfach gleichblieb.
Frantisek Marek holte tief Luft, Er merkte, wie ein Schauer über seinen Rücken rann. Plötzlich hielt ihn die Spannung fest wie eine Klammer. Da war auch die Erwartung in ihm, daß sich bald alles ändern würde, denn er sah das endgültige Ziel irgendwo vor sich.
Jetzt behalte um Himmels willen die Ruhe! Werde nur nicht nervös! Dreh nicht durch!
Es ärgerte Frantisek, daß eine derartige Nervosität einen Profi wie ihn überfiel, aber er konnte es auch nicht ändern. Es steckte einfach drin, zudem dachte er an den jungen Soldaten, der sich ihm nicht gezeigt hatte.
Milan blieb verschwunden.
Kein gutes Zeichen. Ebensowenig wie das Leuchten der beiden Augen auf dem Stein.
Das Pendel hatte Marek einen ersten Eindruck darüber verschafft, daß sich das Böse in der Nähe ausgebreitet hatte. Nur wußte Marek nicht, wo es sich genau aufhielt. Es hatte seine Schwingungen ausgebreitet, doch das Zentrum hielt sich zurück.
Er mußte es finden.
Dabei reichte es nicht aus, wenn er das Pendel vor der Brust hängen ließ. Mit schon etwas zittrigen Fingern umfaßte er die schmale Stahlkette und streifte sie über den Kopf. Wieder mußte er dabei an seinen englischen Freund John Sinclair denken, denn mit der gleichen Bewegung nahm er sein Kreuz ab, was Marek oft genug zu sehen bekommen hatte.
Er legte das Pendel nicht in seine Hand, sondern ließ den Stein nach unten hängen.
Die rechte Hand hatte er dabei ausgestreckt. Einige Sekunden vergingen, bis sich das Pendel beruhigt hatte und praktisch bewegungslos in der Luft hing.
Warten.
Die Spannung stieg.
Marek leckte über seine trocken gewordenen Lippen. Sein Mund war ausgetrocknet. Er war nervös wie ein kleines Mädchen, das zum erstenmal eine Puppe geschenkt bekommt, und er hatte große Mühe, ein
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