Das Vampir-Pendel
Nebel, sondern Milans eigene Sicht.
Aus Angst und Verlegenheit lachte er leise. Es hörte sich krächzend an.
Er hob seinen Arm und wischte über seine Augen. Warum schieße ich nicht? Fragte er sich. Warum hebe ich das Gewehr nicht an und jage dieser Gestalt eine Kugel durch die Brust?
Weil ein Bleigeschoß einen Vampir nicht töten kann!
Das wußte Milan, und dieses Wissen hatte er tief aus seinem Unterbewußtsein hervorgeholt.
Er sah wieder klarer – und hätte beinahe aufgeschrieen, denn die Gestalt stand in Griffweite vor ihm.
Er hatte sie nicht gehört. Sie war nicht gegangen, sondern geschwebt oder auf einem ähnlichen Weg in seine direkte Nähe gelangt. Für ihn war es unwahrscheinlich, nicht zu fassen, nicht zu begreifen. Er schaute starr gegen das graue und dunkle Gesicht dieser schrecklichen Gestalt, deren Mal auf der Stirn sich zurückgezogen hatte.
Sie war jetzt ebenso glatt wie das übrige Gesicht auch. Glatt, bleich und grau…
Milan erinnerte sich wieder an sein Gewehr. Zudem hatte er noch keinen hundertprozentigen Beweis dafür, daß ihm ein Vampir gegenüberstand, denn die Lippen unter der leicht gekrümmten Nase waren fest geschlossen. Wenn er schoß, dann würden es Marek und der alte Juri in der Hütte hören und entsprechend reagieren können.
Der andere erriet seine Gedanken. Bevor Milan irgend etwas in die Tat umsetzen konnte, war bereits die Hand der grauen Gestalt da und drückte den Lauf zur Seite. Jetzt hätte Milan noch schießen können, aber sein Finger lag nicht am Abzug.
Ein heftiger Ruck. Für einen Moment glitt das Metall an seiner Hand entlang, dann war ihm die Waffe entrissen worden. Der andere warf sie einfach weg.
Milan öffnete den Mund. Er wollte schreien, aber die kalte, nach Erde und Moder riechende Klaue war schneller und auch stärker. Sie legte sich so brutal auf seinen Mund, als wollte sie dem Mann die Zähne eindrücken.
Das war nicht alles.
Über die Hand hinweg schaute Milan in das Gesicht der Gestalt mit den dunklen Haaren und der etwas erhöhten Stirn. Jetzt öffnete der andere seinen Mund.
Zähne!
Spitz, leicht gekrümmt, dabei sehr kräftig. Es waren genau die beiden Blutzähne, die Milan auch erwartet hatte. Dennoch erwischte ihn dieser Anblick wie ein Schock, weil er nun die endgültige Wahrheit erfahren hatte und aus dieser Klemme wohl nicht mehr herauskam.
Noch immer blieb die Hand auf seinem Mund und würgte ihm die Luft ab.
Da ein Finger dabei dicht unter seiner Nase lag, konnte er durch sie ebenfalls kaum Luft holen.
Die andere Hand griff zu. Finger drückten sich hinter das Koppel des Soldaten, bogen sich dann nach außen hin weg, um den unteren Rand des Koppels umfassen zu können.
Es war der richtige Griff für den Blutsauger, denn mit einer kaum erkennbaren Anstrengung hob er sein Opfer in die Höhe und drückte es nach vom. Milan schwebte über dem Boden. Noch immer konnte er nicht schreien, und der Luftmangel wurde lebendsbedrohend. Er spürte zudem einen Druck im Kopf, als wollte dieser seinen Schädel irgendwann auseinanderreißen.
Mallmann rammte seinen Kopf vor.
Der Schmerz tobte durch Milans Rücken. Er war gegen einen Baum gestoßen worden und blieb noch in dieser erhöhten Haltung. Seine Füße bewegten sich zuckend über den Boden hinweg, und plötzlich verschwand die Hand von seinem Mund.
Luft, schreien…
Es waren nur Gedanken, mehr nicht. Alles andere versandete.
Er war nicht mehr in der Lage, irgendeinen Vorsatz in die Tat umzusetzen, und selbst ein leiser Schrei drang nicht aus seinem Mund.
Für Mallmann hatte er die ideale Lage bekommen. Mit der Linken drückte er Milan gegen den Baumstamm, die Rechte hatte der Blutsauger noch frei. Er griff in das Haar des Mannes und bog den Kopf so weit zurück, wie es ihm möglich war.
Straffe Haut, die sich am Hals spannte. Darunter zeichnete sich deutlich eine dicke Ader ab.
Mallmann konnte sich nicht mehr beherrschen. Er mußte jetzt einfach etwas tun, und er beugte sich vor. Dann biß er zu.
Sein Opfer, es wurde immer noch von ihm festgehalten, zuckte plötzlich, als sich die Zähne in seinen Hals bohrten.
Sie wühlten sich tiefer und saugten das Blut. Es sprudelte in Mallmanns Rachen. Er trank, und es ging ihm gut.
Neue Kraftströme durchflössen seinen Körper, während bei Milan genau der umgekehrte Vorgang eintrat. Der Soldat verlor allmählich seine Lebenskraft. Er sackte zusammen, seine Arme rutschten nach unten und blieben wie zwei zitternde Pendel
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