Das Vampir-Pendel
seiner Umgebung.
Er hörte kein fremdes Geräusch. Kein Rascheln oder Schaben, auch nicht das Fiepen einer Maus.
Die Stille war erdrückend.
Wo hielt sich Milan auf?
Marek sah ihn auch nicht auf dem Baumstumpf sitzen. Und er hörte ihn auch nicht. Auch wenn er bei seinem Rundgang einen größeren Radius eingeschlagen hatte, wären seine Tritte in der Stille doch zu hören gewesen, denn der Boden war nicht glatt. Es lag überall Laub, vermischt mit kleinen Zweigen, und man konnte auf keinen Fall lautlos gehen.
Sein bedrückendes und ungutes Gefühl verstärkte sich immer mehr.
Marek stand auf dem Fleck, schaute sich um, aber die Finsternis war zu dicht. Die meisten Bäume in seiner Nähe waren nur zu ahnen, denn die Dunkelheit hatte ihr Tuch um alles gewoben. Etwas hörte er dennoch.
Entfernt und leise nur. Das Plätschern des Bachs, den er und Milan überquert hatten.
Frantisek überlegte, ob er den Namen des Soldaten rufen sollte. Wenn er sich dann nicht meldete, war er…
Der Pfähler kam nicht mehr dazu.
Man hatte ihm das Pendel gegeben, man hatte ihm die Funktion erklärt.
Bisher war alles nur reine Theorie gewesen.
Das änderte sich.
Auch wenn Marek damit hatte rechnen müssen, er erschrak trotzdem, als er den schwachen roten Schein bemerkte, der sich über das graue Steingesicht legte.
Zwei Augen glühten.
Damit stand fest, daß sich in der Nähe ein fürchterliches Unheil anbahnte…
***
Himmel, war das eine Fahrt! Auch wenn es sich widersinnig anhörte, ich mußte Assunga dennoch dankbar sein, daß sie mich mit dem Plan versorgt hatte, denn ohne ihn wäre ich bei den zahlreichen Abzweigungen und Kurven verloren gewesen, denn die Höhen und Täler waren alles andere als mit guten Straßen durchzogen. Die meiste Zeit über bewegte ich mich auf Pisten voran. Mal staubig, mal mit Steinen bestückt, die den Reifen des Golfs nicht guttaten.
Um mich herum wurde es allmählich dämmrig. Die Scheinwerfer waren in Ordnung, auch das Fernlicht funktionierte. In seinem Schein zeichnete sich eine bleiche, gespenstisch anmutende Landschaft ab. Sicherlich war sie nicht viel anders als in den schottischen Highlands, doch in diesem Fall kam noch die Erinnerung an die zahlreichen Geschichten und Legenden hinzu, die sich um Transsylvanien, wie es früher einmal geheißen hatte, drehten. Da wirkten die Wälder eben dunkler und unheimlicher. Da waren die Wege gefährlich, da schienen zahlreiche böse Geister im Unterholz zu lauern, um denjenigen zu beobachten, der sich auf die gefährliche Reise gemacht hatte.
Es gab keinen Gegenverkehr. Bei Anbruch der Dämmerung zogen sich die Menschen zurück, und auf den Nebenstrecken herrschte sowieso nicht viel Verkehr.
Trotzdem fuhr ich nicht entspannt. Das Licht hatte die Motten, die Falter und die Mücken aufgeschreckt. Sie fühlten sich von ihm angezogen, und auf der Frontscheibe klebten zahlreiche zermatschte Insekten.
Hin und wieder betätigte ich die Scheibenwischer.
An einer Kreuzung hielt ich an. Der Motor tuckerte im Leerlauf. Ich schaute auf der Karte nach und war zufrieden. Es war die letzte Abbiegung, die Assunga eingezeichnet hatte. Ich mußte nach links fahren, hinein in einen Tunnel, denn so kam mir der schmale Weg vor, der sich wie ein langer Hals aus dem düsteren Wald reckte, wo die Bäume so dicht standen, als wollten sie eine Mauer bilden.
Eine Pause konnte ich mir nicht leisten, obwohl ich gern eine eingelegt hätte, doch ich mußte weiter. Das Ziel wartete, damit auch Frantisek Marek.
Diesmal rollte ich über einen holprigen Feldweg, der teilweise mit Gras und Wildkräutern zugewuchert war. Blätter und Zweige bildeten an anderen Stellen eine Schicht, die bei Nässe den Weg in eine Rutschbahn verwandeln würde. Auf der Karte hatte ich gesehen, daß dieser Pfad irgendwann endete und sich dabei kurzerhand verlief. Da Assunga Bäume gemalt hatte, ging ich davon aus, daß er in einen Wald endete.
Das war sehr bald der Fall.
Plötzlich kam ich nicht mehr weiter. Im Fernlicht sahen die Baumstämme gleich aus. Dichtes Unterholz versperrte mir dann den Weg.
Es war also Schluß!
Ich löschte das Licht und stieg aus. Meine Füße versanken zwar nicht im weichen Boden, doch das Unkraut reichte bis an meine Schienbeine heran. Feuchte Luft umgab mich. Irgendwo in der Ferne hörte ich ein Geräusch, das aber nicht störte, denn es paßte in diese natürliche Landschaft hinein. Das konnte sogar das Plätschern eines Bachs sein.
Ich drückte die Tür zu.
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