Das verborgene Feuer
nicht eingesperrt. Aber wenn sie nicht über fünfzehn Meter tief in die Ägäis springen wollte, konnte sie nirgendwohin.
Kaum war sie nach der Verschleppung aus Giovannis Haus erwacht, hatte sie gewaltige Motoren dröhnen gehört und vermutet, in einem Frachtflugzeug mit freilich luxuriöser Ausstattung zu sein, das vornehme Sessel, Tische und Betten besaß.
Lorenzo hatte in weißer Hose und weißem Hemd, die seine unmenschliche Blässe noch betonten, untätig herumgesessen.
»Wo sind wir?«
Er hatte sie nachsichtig lächelnd angesehen.
»Du bist wach! In meinem Flugzeug sind wir – wo sonst? Auf dem Weg an einen Ort, der für einige Zeit dein Zuhause sein wird. Möchtest du eine Erfrischung?« Sie hatte rasch auf sein mit sämiger roter Flüssigkeit – mit Menschenblut vermutlich – gefülltes Kristallglas gesehen, und Lorenzo hatte ihren Blick bemerkt.
»Anders als Giovanni bin ich kein Heide. Natürlich trinke ich Menschenblut, aber ungern direkt aus der Ader.« Es schauderte ihn. »Ich finde das ekelhaft intim und mag einem Menschen nur dann so nahe kommen, wenn ich mit ihm schlafe oder ihn umbringe.«
Er zwinkerte ihr zu, als sie erbleichte. »Nur keine Sorge, meine Liebe. Ich brauche dich frisch und unverletzt, wenn dein Vater kommt und um dich bettelt.«
»Wohin fliegen wir?«
Lorenzo seufzte lächelnd. »An einen Ort, wo das Wetter viel gemäßigter ist als in Houston. Ich weiß nicht, wie du das schreckliche Klima dort ertragen kannst.« Ihn schauderte erneut. »Absolut grauenhaft. Wir reisen auf eine kleine Insel in der Ägäis, an einen besonderen Ort, den nur wenige kennen. Du solltest dich wirklich privilegiert fühlen.«
»Mir bleibt vor Freude das Herz stehen«, meinte sie sarkastisch.
Lorenzo lachte und fuhr vergnügt die Fänge aus. »Beatrice De Novo, ich wusste, du würdest mir gefallen, wenn ich dich erst der Sphäre meines Vaters entrissen hätte. Er ist erdrückend, oder? Ein furchtbar langweiliger Vampir. Und ich war mir sicher, dass du die rasche Auffassungsgabe besitzt, die mich an Stephen so entzückte … selbst als ich ihn folterte« – Lorenzos Engelsmiene wurde nachdenklich – »kam er mir mit spitzen, aber enorm originellen Bemerkungen. Ein echter Goldschatz.«
Übelkeit rumorte in Beatrices Magen, und sie fürchtete, sich wieder übergeben zu müssen, zwang sich aber, tief durchzuatmen und das Thema zu wechseln.
»Wie fliegen Sie denn? Ich meine – bringt Ihre seltsame Energie nicht die Elektronik des Flugzeugs durcheinander?«
Er schmunzelte. »Ausgezeichnete Frage. Ja, das wäre der Fall, wenn der Frachtraum nicht eigens für mich konstruiert wäre. Hier wurden großartige Isolationsmaterialien verarbeitet, die in den letzten Jahrzehnten erfunden worden sind.«
»Ach? Gott segne die Chemie, schätze ich.«
Er lachte leise und blätterte dabei in seinem Magazin, einer Illustrierten über Schiffe, deren Schrift sie nicht entziffern konnte; gut möglich, dass es sich um griechische Buchstaben handelte.
»Betrachte die Reise einfach als Urlaub. Immerhin« – bei diesen Worten erschien ein böses Grinsen auf seinem Gesicht – »bekommst du ein Zimmer mit Meerblick.«
Zimmer mit Meerblick – so ein Quatsch!
Sie starrte auf die endlose See, die sie gefangen hielt. Die kleine Innentür zu ihrem Zimmer war immer abgeschlossen. Wer kam und ging, trat durch die großen, auf das Meer hinausweisenden Glastüren, hinter denen sie saß. Sie konnten ganz zur Seite geschoben werden, sodass ihr Zimmer zum Wasser hin offen war. Morgens kam ihr stummer, wachsamer Wärter, schloss ihr Zimmer auf und öffnete den Raum dem Meereswind.
Leider war sie eine Gefangene – sonst wäre es wunderbar gewesen.
Sie hatte keine Privatsphäre – abgesehen von dem kleinen Bad mit Toilette, einem Waschbecken ohne Spiegel und einer Dusche ohne Vorhang. Die Tür war nicht abschließbar, und immer befürchtete sie, jemand könne ins Bad kommen, wenn sie sich zu lange darinnen aufhielt. In ihrem Zimmer gab es auch Kleidung; bei ihrer Ankunft hatten zwei Frauen sie stumm ausgezogen, ihre Sachen in einen Müllbeutel geworfen und sie nackt und weinend zurückgelassen. Sie war ins Bett gekrochen und hatte sich in ein weißes Laken gehüllt, bis eine der Frauen zurückkam und wortlos die kleine Kommode öffnete, die voller reinweißer Sachen war.
Es gab weiße Hosen und Blusen. In der obersten Schublade hatte sich sogar ein Schatz an weißen BH s und Slips befunden, alle in ihrer Größe. Es gab
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