Das verborgene Feuer
richtig.«
Seufzend ärgerte er sich über ihre typisch unbestimmte Ausdrucksweise. »Aber –«
»Denk nach, statt meine Vermutungen zu bezweifeln.« Die kleine Vampirin zerrte den Wachmann weiter zur Garage hin. »Denk an das Wasser. Mag sein, dass du Feuer handhaben kannst, doch du kommst aus dem Wasser – genau wie dein Sohn. Bedeutet ihm Wasser etwas?«
Giovanni dachte an den Mann, der ihn in einen Vampir verwandelt, und an die Ruinen der Schule, in der er sie gefangen gehalten hatte. Und an die Geschichten von Göttern und Ungeheuern, denen sie beide gelauscht hatten. Tenzin kehrte in den Hof zurück und sah ihn erwartungsvoll an.
Giovanni nickte nur. »Ja, das klingt richtig.«
Gavin trat aus der Küchentür, nickte Giovanni zu und beobachtete Tenzin, die eben die andere Leiche anhob, um sie neben den ersten Toten zu ziehen.
»Ist das –«
»Ja«, erwiderte Giovanni.
»Erstaunlich. Ich habe Geschichten über sie gehört –«
Tenzin kam in den Hof zurückgeflitzt und beschnüffelte Gavin ein wenig. »Bist du auch ein Windgeher wie ich?«
»Na ja«, Gavin grinste, »nicht gerade wie du.«
»Fliegen kannst du also noch nicht?«
Der Schotte wirkte etwas verlegen. »Noch nicht.«
Achselzuckend wusch sie die Hände im Brunnen. »Bald ist es so weit. Und dann, vermute ich, verändert sich dein Leben.«
Gavin lachte leise. »Ich hoffe, es ändert sich nicht zu …« Er verstummte, als er Tenzins ernsten Blick sah, und räusperte sich. »Gut, ich sehe dem Ganzen mit Spannung entgegen.«
Sie nickte und wollte wieder ins Haus.
»Tenzin?«, rief Gavin. »Darf ich –«
Sie wandte sich ihm mit einem raschen Lächeln zu. »Willst du meine Zähne sehen?«
Er lächelte ein wenig und nickte knapp.
Sie stieg vom Boden zu seiner Augenhöhe auf, bleckte ihre gebogenen Fänge, die kleinen Krummschwertern erstaunlich ähnelten, und zischte grinsend ins Haus. Ihre Theatralik und die schockierte Miene des sonst ganz unerschütterlichen Schotten ließen Giovanni den Kopf schütteln.
»Das ist ja allerhand.«
»Ja, genauso wie sie.«
»Und sind sie immer ausgefahren?«
»Die Fänge?«, fragte er schnaubend. »Tenzin hat mir einmal erzählt, früher seien sie wieder kürzer geworden, inzwischen aber habe sie so viele Feinde getötet, dass sie verlernt haben, sich zurückzubilden.«
»Tatsächlich?«
Er zuckte die Achseln. »Wer weiß? So ist Tenzin – sie erzählt Geschichten.«
Gavins Blick verlor sich im Unbestimmten.
»Und?«, fragte er.
»Was?«
»Lorenzo?«
»Ja, zurück zum Unerfreulichen«, erwiderte Giovanni. »Transport. Wasservampir. Waffenschmuggel und Abschottung. Er ist in Griechenland. Offenbar besitzt er dort eine Insel. Leider wird es einige Zeit dauern, bis wir wissen, welche. Es gibt doch ziemlich viele davon.«
Er entsann sich Beatrices Schreckens, als sie sie aus seinem Haus zerrten, und spürte wieder Flammen an seinem Kragen züngeln. Mit geschlossenen Augen atmete er tief durch, um sich zu beruhigen. Tenzin hatte gesagt, er solle Geduld haben, was Beatrice betraf.
Er konnte geduldig sein.
Denn wenn er Lorenzo fand, würde er brennen.
21
Südliche Ägäis
Juni 2004
»Möchten Sie noch etwas trinken, Miss De Novo?«
Sie sah den kleinen Diener an und blickte wieder aufs Meer hinaus.
»Nein, danke.«
»Klingeln Sie in der Küche, wenn Sie etwas brauchen. Oder geben Sie Ihrem Wächter Bescheid.« Beatrice warf dem stämmigen Griechen neben ihrer Zimmertür einen Seitenblick zu. Soweit es schien, sprach er nicht ein Wort Englisch. Vielleicht war er überhaupt stumm.
Aber er beobachtete sie.
Und zwar jede ihrer Bewegungen, sofern sie sich nicht in das Bad des kleinen Apartments zurückzog, in dem sie seit einer Woche gefangen gehalten wurde.
»Sicher. Danke. Ich sage Bescheid.« Sie sah wieder auf das Meer und ließ ihre Gedanken im Rhythmus der brandenden Wellen schweifen.
Der Diener trollte sich, folgte dem kurzen Flur, der die Außenzimmer von Lorenzos seltsamem Heim verband, und verschwand in einem Raum, den sie für die Küche des Vampirsitzes hielt, der ihr Gefängnis geworden war.
Der weitläufige Bau lag in der sichelförmigen Bucht einer Insel, von der es hieß, sie gehöre Lorenzo. Klippen ragten aus dem Wasser, und das Haus schmiegte sich in die Krümmung hoch über dem steinigen Strand.
Sie wusste, dass es in die Klippen gebaute Zimmer gab, in die nie die Sonne drang. Alle Räume mit Fenstern dagegen wiesen mit garagentorgroßer Verandatür zum Meer. Sie war
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