Das verborgene Feuer
Badeanzüge und Strandkleider, alle in Weiß und ohne Logo. Sie hatte sich rasch angekleidet, sich in eine Zimmerecke zurückgezogen und dort zwei Tage auf die nächste Hiobsbotschaft gewartet.
Beatrice war nun eine Woche in Gefangenschaft und hatte sich einen gleichförmigen Rhythmus angewöhnt. Nach dem Erwachen nahm sie eine Dusche, schlüpfte in weiße Sachen und warf Handtuch und schmutzige Wäsche in einen Korb an der Panoramatür, den ein anderer stummer Diener im Laufe des Vormittags abholte. Niemand sprach auch nur ein Wort mit ihr. Der Wächter öffnete die Tür, und sie setzte sich in einen der Sessel mit Blick aufs Meer und wartete darauf, dass etwas geschah.
Es geschah nie etwas.
Wenn es dunkel wurde, hörte sie scharrende Geräusche an den Klippen links unten, unternahm aber nie den Versuch, dem sich scheußlich anhörenden Gelächter oder den Partygeräuschen auf den Grund zu gehen, die in ihren Raum hereinwehten. Dunkelheit bedeutete Vampire, und obwohl Beatrice ihren menschlichen Wächter nicht mochte, musste sie zumindest nicht befürchten, dass der groß gewachsene, dunkle und stumme Mann ihr in den Hals beißen würde, wenn ihn der Hunger überkam.
Weil ihre Tür erst abgeschlossen wurde, wenn es längst Nacht war, saß sie oft da und sah sich den sich vor ihr im schwarzen Wasser spiegelnden Mond an.
Etwa zehn Tage nach ihrer Entführung hörte sie Schritte näher kommen. Sie schrak hoch, floh aber nicht in ihre Ecke, denn ihr war klar, dass sie dort nur einfacher und ungestörter ausgesaugt werden konnte.
Zu ihrem Erstaunen bog Lorenzo um die Ecke.
»Hallo, meine Liebe. Wie gefällt dir dein Aufenthalt?«
Sie musterte ihn misstrauisch und antwortete nicht sofort. Als sie dann redete, kam ihre Stimme ihr fremd vor.
»Nun, ich habe keine Privatsphäre, keinen Kontakt zu anderen Menschen und nichts zu lesen – und zu hören gibt es nur das Meer. Dafür haben Sie das Gefängnis wenigstens erstklassig und üppig dekoriert.«
Lorenzo legte sich auf die benachbarte Chaiselongue. Er war von Kopf bis Fuß in weißes Leinen gekleidet, das seine unmenschliche Haut im Mondlicht schimmern ließ. »Gefällt es dir? Ich bin so froh, dass du mein Heim magst.«
»Oh ja. Ich meine, es ist einfach so … weiß. Also weiß. Und es besitzt so viele weiße Akzente.«
Lorenzo lächelte, und seine Fänge wuchsen. »Durftest du darum bei Giovanni wohnen? Um ihn zum Lachen zu bringen? Du duftest so wunderbar wie dein Vater – da musste er sich bestimmt beherrschen, dich nicht zu beißen. All das lässt mich staunen.«
Sie presste kurz die Zähne zusammen. »Ich möchte nicht über ihn reden.«
»Weil er dich verschachert hat?« Lorenzo zuckte die Achseln. »Ehrlich gesagt hat Giovanni sich nie für etwas anderes als seine Bücher und sich selbst interessiert. Nimm das nicht persönlich.«
Ihr fielen sofort hundert freundliche Momente mit Giovanni ein, doch sie wollte sich nicht mit Erinnerungen aufhalten, da die Wirklichkeit sich als ganz anders erwiesen hatte. »Ich habe an Wichtigeres zu denken.«
»Ich hatte erwartet, er würde auftauchen. Ich war ganz sicher, dass er damals in der Bibliothek deinetwegen so empört war … aber er ist noch nicht gekommen und wird es wohl auch nicht mehr. Hättest du ihm wirklich etwas bedeutet, hätte er bestimmt um dich gekämpft.«
Sie sah aufs Meer und dachte daran, wie sehr Giovanni sie vor Carwyn und Gavin abgeschirmt hatte. Das hatte sie mitunter geärgert; doch in der Situation, in der sie sich wirklich gewünscht hatte, er möge sie beschützen, hatte er nicht das Geringste unternommen, und so wusste sie nicht, was sie davon halten sollte.
»Etwas sagt mir, dass er noch etwas in der Hinterhand hat.« Lorenzo schnippte einen Käfer von der Hose. »Teures Sicherheitspersonal jedenfalls stellt man nicht grundlos ein. Und darum … doch, ich rechne noch mit etwas.«
»Ja?«, murmelte sie. »Ich nicht.«
Plötzlich erinnerte sie sich an sein Lachen beim Biss in den Zitronenkuchen, den zu probieren sie ihn gezwungen hatte. Er hatte eine urkomische Grimasse gezogen, und sie hatte ihm voll Freude die Wange geküsst, sich über seinen Ekel amüsiert und ihn leicht an den Haaren gezogen.
»Du musst zum Friseur.«
»Muss ich nicht. Weißt du, wie lange mein Haar zum Wachsen braucht?«
»Es fällt dir ständig in die Stirn und ärgert dich. Nur die Spitzen. Ich erledige das für dich; früher habe ich meinen Großvater manchmal frisiert.«
»Du willst mir die
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