Das verborgene Feuer
Eitelkeiten›.«
»In Florenz«, flüsterte sie. »Savonarolas Fegefeuer.«
»Natürlich.« Lorenzo zwinkerte ihr zu. »Vieles freilich brannte nicht so munter wie von Savonarola beabsichtigt. Es war eine gute Zeit für Opportunisten. All das geschah, bevor Giovanni in einen Vampir verwandelt wurde. Selbst damals konnte er sich nicht so frei bewegen wie ich. Andros traute ihm nicht. Aus gutem Grund, wie sich herausstellte.«
»Andros?«, fragte sie, doch Lorenzo hörte nicht hin. Sie kannte den Namen aus den Briefen. Niccolo Andros hieß der seltsame Mitarbeiter von Lorenzo de Medici, der sich so für Giovanni Pico interessiert hatte. Hatte Andros Giovanni in einen Vampir verwandelt? Beatrice überlegte, warum auch Lorenzo ihn als seinen Vater bezeichnete.
»Vater hielt Giovanni für den Klügeren von uns beiden.« Er lachte leise und freute sich noch immer über seine Hinterlist. »Dabei war ich klüger als beide zusammen und habe sie zum Narren gehalten.« Er sah aufs Meer, und seine Augen wurden schmal. »Und bald halte ich alle zum Narren. Alle vertrauensseligen Schwachköpfe mit ihren Illusionen von Größe. Sobald ich deinen Vater gefunden und aus ihm herausgefoltert habe, was er mit den Büchern angestellt hat …«
Lächelnd wandte sich Lorenzo zu ihr um. »Aber womöglich ist keine Folter nötig. Nein wirklich« – er tätschelte sie am Hals, und sie schreckte zurück – »ich bin mir absolut sicher, dass das überflüssig ist.«
Beatrice schob die mysteriösen Enthüllungen des Vampirs erst einmal beiseite, schluckte und versuchte, ruhig zu bleiben. »Woher wollen Sie wissen, dass er meinetwegen kommt? Und ob er meine Spur überhaupt verfolgt?«
»Womöglich tut er das nicht.« Er zuckte die Achseln. »Aber es wird sich zu ihm herumsprechen, dass ich dich entführt habe. Vielleicht schon morgen? Vielleicht erst nach Jahren? Das hängt davon ab, wo er sich aufhält.« Lorenzo lächelte und taxierte sie kühl. »Ich zweifle nicht, dass er sich letztlich zu dir gesellt.«
Nach Jahren?
Diese Vorstellung ließ sie erstarren.
»Und dann? Was geschieht dann mit mir?«
Ein kalter Blick strich ihr über Kehle und Beine und verweilte auf ihrer Brust, bis sie verlegen errötete.
»Menschenfrauen sind zu zerbrechlich für mich. Aber vielleicht lasse ich dich von einem meiner Kinder in einen Vampir verwandeln, damit wir miteinander spielen können«, sagte er und ging lässig über ihre Sterblichkeit hinweg.
»Und wenn ich kein Vampir sein will? Bringen Sie mich dann einfach um?«
Sein Gelächter übertönte die Brandung. »Beatrice, du bist wirklich unterhaltsam. Wie kommst du nur auf die Idee, es käme darauf an, was du willst?«
Lachend entfernte er sich.
Als er weit genug weg war, ließ sie ihren Tränen freien Lauf und durchnässte ihr blutbeflecktes Taschentuch.
Trotz Lorenzos Versicherungen wollte sie sich lieber nicht bei Nacht aufmachen; also zog sie am nächsten Tag Hose und Bluse über den Badeanzug und folgte dem schmalen Pfad durch die Klippen, über den die Diener verschwanden. Sie kam an anderen Zimmern vorbei, die alle möbliert waren wie ihres, doch keines schien bewohnt. Ein Geländer sicherte den Weg, wo er schmal wurde oder eine kleine Brücke einen jähen Abgrund im zerklüfteten Fels überspannte.
Schließlich erreichte sie eine weitere Reihe von Zimmern mit Meerblick. Diese waren bewohnt, und Diener waren geschäftig bei der Arbeit, aber Beatrice entdeckte nichts Bibliothekartiges. Verwirrt wandte sie sich an ihren Wächter, den Lorenzo Xenos genannt hatte, doch dieser zuckte nur die Achseln.
Da rief jemand, der seinem Akzent nach aus England stammte: »Da sind Sie ja!«
Sie drehte sich um und sah einen jungen Mann vor sich, der ebenfalls von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidet war. Er war in ihrem Alter und trug eine Drahtbrille im gebräunten Gesicht. Sein brünettes Haar war da und dort von der Sonne gebleicht, seine Zähne strahlten weiß. Er war attraktiv wie ein Model, und seine Augen blickten freundlich.
Der Fremde streckte ihr die Hand entgegen. »Ich bin Tom und gehöre zu denen, die tagsüber für Lorenzo arbeiten. Ich weiß, dass die Tochter eines Freundes bei ihm wohnt, aber wir haben Sie bisher nicht zu sehen bekommen. Genießen Sie Ihren Aufenthalt?«
Sie stieß ein gezwungenes Lachen aus. »Die Tochter eines Freundes? Hat er Ihnen das gesagt?«
Er betrachtete sie heiter. »Natürlich! Lorenzo ist ein anständiger Mann, der niemandem ein Haar krümmt.«
Diese
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