Das verborgene Feuer
interessant.«
»›Interessant‹? Ich erinnere mich nicht, wann du zuletzt –«
»Wusstest du, dass diese Woche die Winterzeit begonnen hat? Nun kann ich das Museum wieder besuchen.«
»Dein Benehmen am Telefon ist grauenhaft, Gio. Es ist unhöflich, jemanden zu unterbrechen, auch wenn du nicht mit ihm in einem Raum bist.«
Giovanni grinste in dem abgedunkelten Zimmer vor sich hin. »Ich wusste, was du sagen würdest, und wollte nicht darüber sprechen. Nächste Woche findet im Museum ein Vortrag über Dalí statt, und ich –«
»Ein hinreißender Themenwechsel! Wir vergessen die Tochter also?«
Die Frage des Priesters ließ ihn lächeln. »Vorläufig ja. Ich sehe sie jede Woche in der Bibliothek, zuletzt gestern Abend. Bis jetzt habe ich keinen Hinweis dafür, dass sie etwas über uns weiß. Also hat ihr Vater – wenn es sich bei ihm um den Unsterblichen handelt, den ich suche – keinen Kontakt zu ihr aufgenommen, und ich kann noch nichts machen, sondern muss weitere Nachforschungen anstellen.«
»Gut. Gib mir Bescheid, wenn die Teile des Puzzles ein Bild ergeben.«
Giovanni hielt inne und sah in die Flamme. »Vielleicht tun sie das nie. Vielleicht ist es wirklich nur Zufall.«
»Glaubst du das tatsächlich?«, fragte Carwyn sanft.
»Nein.«
»Dr. Vecchio?«, fragte eine vertraute Stimme. »Was machen Sie denn hier?«
Er drehte sich um und war überrascht, Beatrice De Novo in der Abteilung für zeitgenössische Malerei vor einem Gemälde von Fernand Léger zu sehen; neben ihr stand eine ältere Dame. Statt dem Schwarz, das die junge Studentin sonst trug, hatte sie eine tiefrote Bluse an und anstelle der Kampfstiefel gesittete schwarze Halbschuhe.
»Beatrice? Welche Überraschung, Sie hier zu treffen.« Er wusste nicht, warum er so erstaunt war, sie im Museum – einem bei Studenten beliebten Ziel – zu sehen, und versuchte sich einzureden, es sei nur ein glücklicher Zufall, dass sie, nachdem er eben noch über sie gesprochen hatte, hier auftauchte. »Eine angenehme Überraschung natürlich.«
Auch die alte Dame wandte sich nun von dem Gemälde ab, und als er sie betrachtete, sah er die Herkunft von Beatrices leichtem Akzent vor sich. Das Spanische dominierte ihre hübschen Züge, und er sah in zwei klare grüne Augen. Lächelnd nahm sie Beatrice am Arm.
»¿Es el profesor guapo, Beatriz?«
Ihre Stimme klang wie die einer gebildeten Frau aus der Gegend von Guadalajara in Mexiko.
Beatrice lachte zu dieser Frage der Großmutter nervös, und er freute sich, dass sie ihn als »gut aussehenden Professor« bezeichnet hatte. Errötend lächelte sie Giovanni an. »Dr. Vecchio, das ist meine Großmutter Isadora.«
Giovanni senkte den Kopf vor der Großmutter und war von ihrer anmutigen Förmlichkeit begeistert.
»Mucho gusto, Señora. Me llamo Giovanni Vecchio. Ihre Enkelin ist mir in der Bibliothek eine große Hilfe.«
»Und natürlich spricht er Spanisch«, hörte er Beatrice raunen.
»Beatrice, benimm dich«, tadelte Isadora sie. »Dr. Vecchio, es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen. Sind Sie ein Liebhaber zeitgenössischer Kunst?«
Er nickte lächelnd und barg die Hände vorsichtig in den Taschen. »Oh ja. Ich habe gerade die Rothko-Kapelle besichtigt und dachte, ich sollte mir auch noch die ständige Sammlung ansehen. Sind Sie ein Fan von Léger?«
»Allerdings. Aber ich mag auch die Surrealisten hier sehr. Wir wohnen in der Nähe der Rice University, darum kann ich oft vorbeikommen. Und Sie forschen an der Hochschule?«
»Ja, aber mehr, um einer Freundin einen Gefallen zu tun, die sich mit Tibets Religionsgeschichte befasst. Sie lebt in China, und ich schreibe ein Dokument für sie ab.«
»Da machen Sie sich ihretwegen aber viel Arbeit.« Sie legte eine Pause ein, doch er erklärte ihr die Sache nicht näher. Also fragte sie: »Und Sie sind Professor, ja?«
Giovanni fiel auf, dass das Mädchen den Kopf in Erwartung seiner Antwort in einem seltsamen Winkel geneigt hielt. So manches in der Bibliothek kursierende Gerücht galt ihm, doch selbst der beste Forscher würde nichts über ihn herausfinden, was er nicht entdeckt wissen wollte.
»Nein. Meine Familie handelt mit seltenen Büchern, Señora De Novo. Ich arbeite vor allem in diesem Bereich.«
»Wie interessant! Sammeln Sie auch? Bücher? Oder Kunst?« Beatrices Großmutter wies mit dem Kopf auf das Gemälde an der Wand.
Er lächelte geheimnisvoll. »Ich besitze natürlich eine Bibliothek, die meine Familie über Jahre hinweg
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