Das verborgene Feuer
ihr sorgfältiger Umgang mit den seltenen Texten, die so viel schwer fassbares Wissen enthielten, vielleicht der gemessene Ausdruck ihrer dunklen Augen, doch er wusste, dass Beatrice Geheimnisse zu wahren wusste – auch ihre eigenen.
Er kam die Treppe herunter und hörte, wie Caspar ihr die Tür öffnete.
»Miss De Novo – welche Freude, Sie wiederzusehen.«
»Danke, Caspar. Wie ist es Ihnen ergangen?«
»Sehr gut, danke. Ich habe mir
Die Nacht der lebenden Toten
angesehen, von dem Sie mir erzählten – ein wunderbarer Film.«
»Gut! Freut mich, dass Sie ihn gesehen haben. Niemand dreht so tolle Zombie-Filme wie Romero.«
Giovanni bog um die Ecke und blieb in der Küchentür stehen.
Sie trug Schwarz, natürlich, doch nichts daran ließ sie unmenschlich wirken. Ihre glatte Haut pulsierte praktisch vor Leben, und sein Blick glitt zu ihrem anmutigen Hals hinauf. Ihr langes Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden, und es kribbelte ihm in den Fingern, es aus seinem Band zu befreien.
Sie sah ihn und nannte ihn zum ersten Mal seit dem Abend im Fahrstuhl beim Namen.
»Hallo, Gio.«
»Hallo.«
»Beatrice, darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?«, fragte Caspar.
Sie wandte sich ihm zu. »Eine Cola? Hätten Sie … eine Cola?«
Giovanni lachte leise. »Cola haben wir. Caspar trinkt sie sehr gern.«
Sie errötete. »Dann nur eine Cola, danke.«
»Und ich mache mir nebenan einen Drink, Caspar.« Er sah Beatrice an. »Falls Sie mich begleiten mögen?«
Sie nickte und ließ sich von ihm in das hell erleuchtete Wohnzimmer mit seinen bequemen Möbeln und einem großen Flachbildschirm an der Wand führen.
»Donnerwetter – ein Riesenfernseher.« Beatrice trat näher, um sich das Ungetüm zu besehen. »Die Bildqualität ist vermutlich ausgezeichnet?«
Er schmunzelte. »Ja. Caspar kann sich ja schlecht fiese Spezialeffekte aus alten Horrorfilmen auf einem kleinen Bildschirm mit geringer Auflösung ansehen, stimmt’s?«
Beatrice drehte sich lächelnd zu ihm um. »Sicher.«
Er lächelte nur und war unerwartet froh darüber, sie durch das Haus streifen und seine Sachen begutachten zu sehen. Er war versucht, ihr die Bibliothek zu zeigen, beschloss aber, das erst zu tun, wenn klar war, warum sie gekommen war.
Caspar trat ein, als er sich an der Anrichte einen Whisky einschenkte.
»Bitte lassen Sie es mich wissen, wenn Sie noch etwas brauchen, Beatrice.«
»Nennen Sie mich B, Caspar. Nur Mr Förmlich besteht darauf, mich Beatrice zu nennen.« Giovanni, der ihnen den Rücken zugewandt hatte, grinste in sich hinein und war entschlossener denn je, sie auch weiterhin bei jeder Gelegenheit bei ihrem Geburtsnamen zu nennen.
»Natürlich, B.«
»Danke.«
Giovanni hatte seinen Drink gemixt und wandte sich um. Beatrice saß in dem Sessel, in dem sonst er zu sitzen pflegte, und so nahm er links von ihr auf dem Sofa Platz.
»Wird sonst noch etwas gewünscht?«
Er schüttelte den Kopf, und Caspar ließ sie allein. Giovanni saß da, nippte an dem Whisky, den Carwyn ihm im Vorjahr aus Irland mitgebracht hatte, und wartete ab, um endlich zu erfahren, warum sie gekommen war. Er spürte einen kleinen Triumph, als sie den Zettel, den er ihr vor Wochen hingelegt hatte, auseinanderfaltete und in ihren Schoß legte.
»Der Job, von dem Sie hier schreiben – worum handelt es sich da?«, fragte sie.
»Um Recherchen. Vorwiegend am Computer.«
»Und warum denken Sie dabei an mich?« In ihrem Blick stand noch immer ein leises Misstrauen, als sie ihn nun musterte.
Um mehr über deinen Vater und seine Gewohnheiten zu erfahren. Um ihm etwas im Tausch anbieten zu können, wenn ich ihn endlich finde – und das wird mir gelingen. Außerdem duftest du wie Geißblatt
.
Er blinzelte bei diesem letzten Gedanken, zuckte aber lässig die Achseln. »Sie sind dafür überdurchschnittlich qualifiziert. Das meiste, was Sie für mich recherchieren müssen, ist online. Sie können sich gewiss vorstellen, warum das problematisch ist. Caspar kann mir helfen, aber was die Technik angeht, ist er nicht so beschlagen wie Sie, und ihm fehlt Ihr Wissen auf dem Gebiet der Dokumentationswissenschaft.« Er machte eine Pause und setzte hinzu: »Aber er mixt exzellente Drinks – das sollte man nicht geringschätzen.«
»Danke!«, hörte er seinen Freund aus der Küche rufen. Giovanni und Beatrice tauschten ein Lächeln, ehe ihr wieder einfiel, dass sie misstrauisch war. Prompt runzelte sie die Stirn und stellte eine weitere Frage.
»Sie könnten dafür
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