Das verborgene Feuer
Ich hatte gehofft, unter Anleitung würde er … Nun, er hatte schon in jungen Jahren eigene Vorstellungen über die Unsterblichkeit. Wir waren nur etwa fünf Jahre zusammen, bevor unsere Wege sich trennten.«
»Hat er das schon mal getan? Hat er versucht – ich weiß nicht –, Sie zu provozieren?«
»Nein. Ich kenne zwar seinen Ruf, aber wir haben uns jahrhundertelang gemieden – ich begreife allmählich, was für ein Fehler das war.«
»Und er besitzt Ihre Bücher? Ihr Sohn hat Ihnen Ihre Bücher und Briefe gestohlen?«
Giovanni nickte. »Ehe ich ihn verwandelte, hatte er mir erzählt, sie seien verloren gegangen; meine Liegenschaften seien unversehrt, die Bibliothek aber sei geplündert und zerstört. Das war zur Zeit Savonarolas in Florenz gar nicht unwahrscheinlich. Damals ging vieles verloren! Ich musste ihm vertrauen. Es gab eine Zeit, da konnte ich mich nicht so unter Leuten bewegen wie heute.«
»Wegen der Blutsache oder der Feuersache?«
Er zögerte. »Weder noch. Oder wegen beidem. Es gab … viele Gründe. Können wir bitte über etwas anderes sprechen als über meine Vergangenheit?«
Aus den Augenwinkeln sah er sie die Arme verschränken, während Tränen des Zorns in ihre Augen traten. »Tja, sieht so aus, als würde Ihre Vergangenheit meine Zukunft ziemlich beeinträchtigen, Gio. Darum habe ich vielleicht den Eindruck, dass mich diese Dinge etwas angehen.«
Er verkniff sich einen Fluch und ergriff das Lenkrad fester – zu fest, wie sich erwies, denn schon knackte das Plastik.
Verdammt
.
»Ich erzähle Ihnen schon noch, was Sie wissen müssen, aber nicht jetzt. Ich kümmere mich um die Sache, Beatrice, aber Sie bleiben eine Weile bei mir.«
Sie schnaubte. »Das werde ich nicht. Ich habe Seminare und Jahresabschlussprüfungen und auch sonst alles Mögliche vor. Sie werden mich nicht in Ihrem Haus einsperren.«
Stirnrunzelnd ärgerte er sich darüber, dass sie seine Absichten so genau durchschaut hatte. Vermutlich hatte sie recht. Außerdem wollte er sie nicht vom Abschluss der Kurse abhalten, sofern es nicht unbedingt notwendig war. Lorenzo würde sicher noch einige Zeit in Houston herumlungern, sie beobachten und Unterstützung organisieren, bevor er in eine Offensive überging.
Er entsann sich des kleinen Jungen, der vor einem Korb gesessen und eine Maus am Schwanz hatte baumeln lassen. Der Nager sollte das Essen für die Schlange sein, die sie bei sich zu Hause im Klassenzimmer hielten, und der Junge bat stets, das Reptil füttern zu dürfen. Um es nicht selbst übernehmen zu müssen, hatte Giovanni sie ihm immer überlassen, doch bald hatte er bestürzt festgestellt, dass das engelsgleich aussehende Kind sowohl die Schlange als auch die Maus quälte, bevor es dem Reptil schließlich seine Mahlzeit gab.
»Gio?«
»Hmm?« Er tauchte aus seinen Gedanken auf und schaute Beatrice an. »Wir finden schon eine Lösung. Jedenfalls wäre es das Beste, wenn Sie nach Sonnenuntergang in meinem Haus bleiben würden. Es gibt jede Menge Platz. Und ich werde meine Sicherheitsvorkehrungen auch während des Tages erhöhen.«
»Was ist mit meiner Großmutter?«
»Es gibt ein Haus, das Caspar liebt, im Hügelland bei Kerrville. Es liegt ganz einsam, und er kennt die Gegend sehr gut. Dorthin kann er sie bringen. Ich denke, Lorenzo hat kein Interesse daran, den beiden zu folgen. Auf Leute wie sie hat er es nicht abgesehen.«
»Sondern auf mich?«, fragte sie leise. »Ich schätze, das war mir vorher schon klar, aber erst heute wird mir bewusst, was es bedeutet.«
Sie schien in dem Sitz neben ihm in sich zusammenzusinken, während sie auf den kurvigen Straßen von Houston unterwegs waren. Er atmete tief ein, freute sich, dass kein Adrenalin mehr durch ihre Adern floss, und war froh, dass sie Isadora aus diesem Grund nicht beunruhigen würde.
»Im Moment hasse ich meinen Vater richtig«, flüsterte sie.
Dieses Bekenntnis schockierte ihn nicht, sondern stimmte ihn traurig. Er empfand wieder das Bedürfnis, sie in die Arme zu nehmen, unterdrückte es jedoch.
»Ich verstehe, warum Sie so empfinden, kann ihm aber keinen Vorwurf daraus machen, Lorenzo entflohen zu sein.«
»Obwohl der nun auch in Ihrem Leben herumpfuscht?«
Giovanni zuckte die Achseln. »Ich habe dieses Monster ja geschaffen, Beatrice. Und glauben Sie mir: Lorenzo ist ein Monster. Als sein Kind leben zu müssen, wäre grauenhaft.«
»Warum? Das verstehe ich nicht. Carwyn hat mir erzählt, er kann seine Kinder nicht dazu bringen, etwas
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