Das verborgene Kind
dann kläffend zur Tür stürzte. Mit einem Stakkato-Schrei fuhr der Fasan zurück und rannte steifbeinig ins Gebüsch davon.
Lottie lachte. »Komm da weg, Pud! Er ist fort. Lass uns frühstücken!«
In Gedanken ging sie die wenigen Dinge durch, die vor Nicks Ankunft am Nachmittag noch zu erledigen waren. Sein Zimmer war fertig und ein Fischauflauf zum Abendessen schon vorbereitet. Eigentlich brauchten sie nur noch darauf zu warten, dass er auftauchte. Sie gab Pud sein Frühstück und streichelte sein seidiges Fell auf dem Kopf. Dann kochte sie Porridge und schnitt Brot ab, um es zu toasten. Sie lief zwischen Küche und Esszimmer hin und her, deckte den Tisch, wartete darauf, dass das Weißbrot aus dem Toaster sprang, und war erstaunt, als Milo früher als gewöhnlich auftauchte. Und noch verblüffter war sie, als er ihr zulächelte, ihre Schulter berührte und fragte, ob sie Kaffee wolle.
Mit einem Mal wurde ihr klar, dass sein ungewöhnlich kommunikatives Verhalten der Sorge um Nick entsprang. Lottie bestreute ihren Porridge mit braunem Zucker und wartete ab.
»Habe gesehen, wie du die Vögel gefüttert hast«, meinte er. »Sieht ziemlich kalt aus da draußen.«
»War es auch«, pflichtete sie ihm bei. »Der Wind hat auf Nordost gedreht. Nicks Zimmer ist wie ein Kühlschrank, deswegen habe ich die Heizung angedreht. Vielleicht braucht er heute Abend eine Wärmflasche.«
Milo setzte eine verächtliche Miene auf, verkniff sich aber jeden Kommentar.
Lottie grinste ihn an. »Wir sind nicht alle so eisenhart wie du«, sagte sie. »Wahrscheinlich bist du gar kein richtiger Mensch.«
»Er ist ein junger Mann«, protestierte Milo. »Wärmflasche, du meine Güte!«
»Er ist fast vierzig«, verbesserte Lottie ihn sanft. »So jung ist das nun auch nicht mehr. Und an unser spartanisches Leben ist er nicht gewöhnt.«
Milo schnaubte. »Bei ihm zu Hause ist es so heiß wie in einem Ofen. Kein Wunder, dass die Kinder so kränklich sind. Ständig haben sie Husten und Schnupfen.« Er runzelte die Stirn, als sei ihm gerade Nicks noch unbekanntes Problem wieder eingefallen, und trank schweigend seinen Kaffee.
Lottie strich Marmelade auf ihren Toast. »Ich glaube eher nicht, dass Alice ihn verlässt«, meinte sie. Sie mochte sich von dem Thema nicht einschüchtern lassen und sprach es offen an. »Da müsste er schon etwas ziemlich Schlimmes angestellt haben. Ich glaube, wir schießen da übers Ziel hinaus.«
Milo starrte sie an. Er wirkte angeschlagen. »Aber was könnte es denn sein?«
Lottie erwiderte seinen Blick mitfühlend. Sie zuckte die Achseln, zog die Mundwinkel herunter und spekulierte darüber, worin Nicks Verbrechen bestehen könnte.
»Ich schätze, es geht entweder um Sex oder um Geld«, meinte sie schließlich.
»Wie du es sagst, klingt es nach einem Roman von Jane Austen«, gab er ärgerlich zurück.
»Tut mir leid«, entgegnete sie, »aber das sind die beiden üblichen Gründe für Eheprobleme, oder? Bedaure«, sagte sie noch einmal schnell, als sie seine Miene sah. »Das war taktlos, tut mir leid, Milo.«
»Aber wahr.« Er goss ihnen Kaffee nach. »Es ist nur ... Du weißt doch, dass man sagt, die Kinder von Geschiedenen würden wahrscheinlich das Gleiche durchmachen wie ihre Eltern. Gott, Lottie, manchmal fühle ich mich so schuldig wegen allem!«
»Also, ich finde, es hat viel mehr mit dem Charakter jedes Einzelnen zu tun«, antwortete sie gelassen. »Nick ist sehr attraktiv und ein sehr freundlicher Mensch, und durch seinen Spielerinstinkt ist er sehr gut in seinem Job. Aber er ist unsicher, nicht wahr? Er kann einem Flirt nicht widerstehen, weil das sein Selbstwertgefühl steigert, und ein- oder zweimal ist er zu weit gegangen und hat sich in Schwierigkeiten gebracht. Andererseits geben beide ständig zu viel Geld aus. Es könnte eines von beidem sein. Außerdem ist es ziemlich verfrüht, von Scheidung zu sprechen, oder? Wir werden es bald erfahren.«
»Ich hasse das«, sagte Milo verdrossen. »Wahrscheinlich weiß ich nachher nicht, worüber ich mit ihm reden soll. Ich habe den Verdacht, dass ich mich ärgern werde. Bestimmt werde ich den Wunsch verspüren, ihm ein paar Ohrfeigen zu verpassen und ihm zu sagen, er solle sich zusammenreißen.«
Lottie lachte. »Unsinn! Das sagst du immer. Und dann setzt er diese Hugh-Grant-Miene auf, die sagt: ›Ich weiß, dass ich unartig war‹, und du umarmst ihn fest und schenkst ihm einen Scotch ein.«
Milo schaute verlegen drein. »Ich mag den Jungen
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