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Das verborgene Kind

Das verborgene Kind

Titel: Das verborgene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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gleich in Gelächter aus. »Das sieht dir aber gar nicht ähnlich, Liebling.«
    »Nein, nicht wahr?«, pflichtete er ihr gelassen bei. »Aber es funktioniert. Ein Armeegeistlicher hat mir – ach, schon vor Jahren – diesen Tipp gegeben. Damals war ich draußen in Nordirland und hatte gerade miterlebt, wie zwei meiner besten Freunde in Stücke gerissen worden waren. ›Immer, wenn Sie Angst haben‹, sagte er, ›beten Sie ein paar Verse aus einem Psalm! Sie werden erstaunt sein, wie beruhigend und tröstlich das wirkt.‹ Nun ja, ich war ein junger Soldat und skeptisch, aber ich beschloss, ihm zuliebe darauf einzugehen. ›Und welchen, Pater?‹, fragte ich ihn, und er antwortete wie aus der Pistole geschossen: ›Den hunderteinundzwanzigsten.‹ Als ich ihn verständnislos anstarrte, sagte er ihn mir auf, und ich muss zugeben, dass ich zutiefst bewegt war, Venetia. Vielleicht lag es daran, dass es fürchterliche Zeiten waren und ich um meine Freunde trauerte, aber die Worte schlugen eine Saite in mir an. Ich ging davon und las den Psalm nach. ›Der Herr behütet dich; der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand, dass dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts. Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele!‹ Ich habe ihn auswendig gelernt.« Sie starrte immer noch zu ihm auf, und mit einem Achselzucken tat er die ernste Stimmung ab. »Du hast mich gefragt. Und was machst du ? Nach deinen Mogadon-Tabletten greifen?«
    Zögernd fiel sie in sein Lachen ein. »Manchmal«, gestand sie.
    Hinter ihrer Schulter drehte er sein Handgelenk und warf einen Blick auf die Uhr. »Beinahe schon Zeit für einen Drink«, meinte er, zaghaft bemüht, die wehmütige Stimmung zu zerstreuen. »Bleibst du zum Abendessen?«
    »Oh, schrecklich gern. Bist du dir sicher? Ist denn auch genug für alle da?« Genau, wie er gehofft hatte, vergaß sie ihre Ängste und Beklemmungen. »Vielleicht sollten wir Lottie fragen.«
    Er schnaubte verächtlich. »Das hat nichts mit Lottie zu tun. Ich koche. Sie würde aus meinem köstlichen Stück Lamm etwas machen, was wie ein auf der Landstraße überfahrenes Tier schmeckt. Bleib, wenn du möchtest!«
    Die Einladung war ein Brocken, den er ihr hinwarf, um sie zu besänftigen, eine freundliche Geste, die weit kleiner war als die, auf die sie anspielte – zumindest vermutete er das. Sie testete ihn, klopfte ihn ab, um herauszufinden, wie ihre gemeinsame Zukunft aussehen könnte. Und er war instinktiv auf Nummer sicher gegangen. Lottie kam zurück, und er sah sie erleichtert an. Etwaige Geständnisse waren aufgeschoben.
    »Haben wir dir eigentlich erzählt, dass Nick wieder für ein paar Tage kommt?«, fragte sie Venetia. Sie ließ sich in ihrem Sessel nieder und nahm ihre Strickarbeit mit den dicken Holznadeln zur Hand. »Was macht denn deine Familie?«
    Daraufhin wandte das Gespräch sich Kindern und Kindeskindern zu, und Milo lehnte sich in der Sofaecke zurück und griff nach der Zeitung. Er fragte sich, wie er dem Leiter seiner Bank erklären sollte, dass er das Sommerhaus in nächster Zukunft doch nicht verkaufen würde.
    »Matt ist heute vorbeigekommen«, sagte Imogen zu Jules. »Lottie hat Rosie gehütet, und wir sind nach Porlock Weir gefahren und haben im Ship zu Mittag gegessen.«
    »War es schön?«
    Offensichtlich musste Jules sich sehr anstrengen, um interessiert zu wirken, und Imogen spürte den plötzlichen Impuls, ihm etwas Schweres über den Schädel zu schlagen. Sie gab sich schließlich die allergrößte Mühe, wegen des Sommerhauses vernünftig zu sein, obwohl sie zutiefst unglücklich darüber war; sie nörgelte nicht und sprach nicht davon, sondern versuchte, die Harmonie, die einmal zwischen ihnen geherrscht hatte, wiederherzustellen. Doch statt darauf einzugehen und sich dankbar zu erweisen, weil sie so positiv reagierte, blieb er distanziert; höflich, aber kühl.
    »Es war sehr schön«, antwortete sie verärgert, klappte das Bügelbrett heftiger, als nötig gewesen wäre, auf und stellte das Eisen an. Voller Widerwillen betrachtete sie den vollen Wäschekorb, und sie fragte sich halbherzig, ob er seine Hilfe anbieten würde. Er hatte immer die eigenen Hemden übernommen, sich aber geweigert, es an ihren oder Rosies Sachen zu versuchen. Aber stattdessen warf er einen Blick auf das Ganze und schob die Hände in die Taschen.
    »Ich sehe vielleicht ein bisschen fern«, sagte er und ging hinaus.
    Unglücklich und aufgebracht klapperte sie

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