Das verborgene Kind
dass sie aus dem Wind und Hagel heraus war und ihr plötzlich sehr warm wurde. Den Stein in ihrer Magengrube und ihre leise brodelnde Aufregung ignorierte sie.
»Wie geht’s Alice?«, erkundigte sie sich.
Bei dieser abrupten Frage verdüsterte sich Nicks Miene, und Imogen biss sich auf die Lippe. Der arme Nick! Wie unsensibel von ihr! Dabei war er so nett gewesen.
»Jedenfalls«, fuhr sie schnell fort, bevor er antworten konnte, »ist es toll, dich zu sehen.«
»Es hat mir so leidgetan, das mit dem Sommerhaus zu hören«, meinte er. Es wirkte wie eine Ausrede; ein Grund, zu ihr zu kommen, bevor er zum High House fuhr. »Was für ein Riesenpech! Natürlich kann ich den Standpunkt des guten Jules nachvollziehen, aber ich weiß, wie sehr du das Haus liebst.« Er zog ein mitfühlendes Gesicht. »Armer Liebling!«
»Ach«, versetzte sie rasch, »ich werde schon damit leben, obwohl ich zugebe, dass ich ziemlich enttäuscht bin. Aber was wird Milo jetzt damit machen? Hast du eine Ahnung?«
Er zuckte die Achseln. »Ich weiß nur, dass er es nicht weiter vermieten will. Heutzutage müsste er es dazu so stark modernisieren, dass es ein Vermögen kosten würde. Es ist nur traurig, dass es bei einem Verkauf nicht in der Familie bleibt; und ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass alles meine Schuld ist.«
»Aber die Moretons ziehen jetzt aus, also hätte er sowieso etwas unternehmen müssen.« Sie beeilte sich, ihm gut zuzureden, um ihn aufzuheitern. »Wie du schon sagtest: Er will ja nicht weiter vermieten, also muss er ohnehin erwogen haben, es zu verkaufen.«
»Und was macht ihr jetzt? Wohin wollt ihr ziehen?«
»Oh.« Sie seufzte und zog eine kleine Grimasse. »Jules hat einen Klienten in der Nähe von Simonsbath, der eine ausgebaute Scheune zu vermieten hat. Sein Sohn hat darin gewohnt, während er sich seinen eigenen Öko-Bungalow gebaut hat, aber er zieht nächste Woche aus, und er hat uns angeboten, sie für längere Zeit zu mieten. Diese Leute halten große Stücke auf Jules, und sie wollen keine Feriengäste mehr. Ich habe sie noch nicht gesehen. Um ehrlich zu sein, habe ich wirklich geglaubt, ein Wunder würde geschehen und wir hätten inzwischen etwas Eigenes.« Sie zuckte die Achseln. »So sieht es aus.«
Ein kurzes Schweigen trat ein. »Alice geht es gut«, sagte Nick dann, als habe Imogen die Frage gerade erst gestellt. »Wenn auch auf eine eisige, kritische, verächtliche Art. Wie geht’s Jules?«
Wieder Schweigen. »Jules geht es gut«, gab Im zurück, indem sie Nicks Antwort parodierte, »wenn auch auf eine schmollende, defensive, unfreundliche Art.«
Halb fragend, halb beklommen schauten sie einander an. Dann stellte Imogen ihren Becher ab und ging zu Rosie, die inzwischen friedlich schlummerte, um es ihr auf den Kissen bequemer zu machen.
Merkwürdig, dachte sie, wie das Kind mich vor dem zu beschützen scheint, was Nick mir offeriert. Sie blieb neben dem Laufstall knien und drehte Nick den Rücken zu.
»Du hättest nicht kommen sollen«, meinte sie.
»Ich weiß«, sagte er und machte keinen Versuch, sie misszuverstehen. »Aber du fehlst mir, Im. Gott, das Leben ist momentan so elend! Ich muss immerzu an dich denken.«
»Das darfst du nicht«, gab sie zurück. Es fiel ihr schwer, das zu sagen. Am liebsten wäre sie aufgestanden und hätte die Arme um ihn gelegt.
Und warum auch nicht?, fragte sie sich ärgerlich im Stillen. So, wie Jules sich im Moment benimmt, wäre es ihm egal.
Rosie regte sich und steckte den Daumen in den Mund, und Imogen kauerte weiter neben dem Laufstall und streichelte mit einer Hand Rosies Schulter und Arm.
»Ich glaube, du gehst jetzt besser«, erklärte sie bedrückt. »Ehrlich, Nick. Das dürfen wir nicht.«
»Aber du willst es doch auch.« Dann war er neben ihr, sein Mund lag an ihrem Ohr, und sie erschauerte und nickte zögernd, nur eine winzige Kopfbewegung. Er küsste sie und presste seine Wange an ihre. »Du weißt, dass ich dich liebe«, sagte er. »Gott, was waren wir für Idioten, Im!«
Sie hörte, wie er die Tür leise hinter sich schloss, aber sie blieb, wo sie war, eine Hand auf das schlafende Kind gelegt, als sei Rosie ein Talisman, der Böses abwehren kann.
18. Kapitel
M att überholte Nick am Ende des Allerpark-Waldes, erkannte den Wagen und fuhr langsamer. Er setzte ein paar Meter zurück bis zu der Stelle, an der Nick angehalten hatte, und beide kurbelten die Fenster herunter und lehnten sich heraus.
»Habe kurz bei Im
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