Das verborgene Kind
daran, dass er endlich nachgegeben und Annabel nach High House eingeladen hatte, nachdem er beschlossen hatte, mindestens einen Monat in Bossington zu verbringen. Milo und Lottie waren, Gott sei Dank, vollkommen gelassen damit umgegangen; kein verschmitzter Blick, kein wissendes Lächeln. Sie war schließlich nicht die erste Frau, die er einlud. Zudem hatte er die Sache heruntergespielt, wobei er erstaunlich nervös gewesen war. Annabel war hinter ihm her, und zwar sehr. Sie hatte sich über die Einladung gefreut, obwohl sie wusste, dass es nicht ganz dasselbe war, als wenn er sie nach Hause eingeladen hätte, um seine Eltern kennenzulernen; doch es war offensichtlich, dass sie ihren Besuch eher in diesem Licht betrachtete. Im würde ihm helfen, eine unverfängliche Atmosphäre zu schaffen. Sie verstand es auf sehr gewitzte, schwesterliche Art, seine Freundinnen sehr herzlich aufzunehmen und gleichzeitig zu vermitteln, dass sie nur eine von vielen und ihr Bruder ein ziemlich hoffnungsloser Fall sei. Manchmal hatte sie sich nachher ziemlich verärgert über ihn gezeigt – besonders, wenn sie das Mädchen wirklich mochte –, aber sie verstand, dass er vor einer Bindung zurückschreckte, obwohl sie ihm von Herzen wünschte, er möge sich verlieben.
Wegen Milo brauchte er sich keine Gedanken zu machen. Milo war der perfekte Gastgeber und genoss die Gelegenheit, ein herrliches Festmahl zu kochen, während er emotionale Untertöne vermied. Und was Lottie anging ... Unwillkürlich schnaubte Matt vor Lachen. Zu seinem Glück fehlten in Lotties Erbmasse jegliche Gene, die sie zur Kupplerin hätten machen können. Sie liebte alle seine Freundinnen – sie besaß eine enorme Empathie für junge Leute –, ohne dass sie den Wunsch hegte, ihn ständig mit einer von ihnen verbunden zu sehen. Sie war weder praktisch begabt noch besonders mütterlich, und doch hatte er nie an ihrer Liebe zu ihm und Im gezweifelt. Milo und sie waren in der Tat »ein seltsames Paar«, aber er war zutiefst dankbar für ihre Liebe.
Ihm ging auf, dass die Einladungen an seine Freundinnen eine ganz neue Bedeutung annehmen könnten, wenn er erst der Besitzer des Sommerhauses war. Plötzlich wurde ihm klar, dass er keinen besonderen Wert darauf legte, dass Annabel das Cottage zu sehen bekam; jedenfalls dieses Mal noch nicht. Es war so eigenartig und erstaunlich aufregend gewesen, es mit Milo zu besichtigen. Im Haus wurde schon für den Umzug gepackt, und Mrs Moreton hatte sich für das Chaos entschuldigt; aber er hatte gar kein Durcheinander bemerkt. Er war vollkommen fasziniert von den reizenden Proportionen des kleinen Hauses gewesen; von der eleganten Treppe und den Räumen, die mit Holzpaneelen ausgestattet und cremeweiß gestrichen waren, sodass sie wie Schiffskabinen wirkten. Hohe Rhododendronbüsche schirmten die kleine Wiese ab, die zum Aller Brook hin abfiel. Er hatte auf der Veranda mit den gedrehten Säulen gestanden, die wie Zuckerstangen wirkten, und eine so überwältigende Wonne darüber empfunden, das Cottage zu besitzen, wie er sie in seiner äußerst schicken Wohnung nie gespürt hatte. Er konnte es kaum abwarten, dass die Moretons auszogen.
Er beobachtete einen großen Möwenschwarm, der an der Wasserlinie kreiste und herabstieß, und beschloss, dass er sobald wie möglich mit Im zum Sommerhaus fahren und sie herumführen würde. Das würde sie von Nick ablenken. Ihm fiel ein, dass er Im das Foto weder gezeigt noch ihr davon erzählt hatte, auf welch eigenartige Weise es ihn erreicht hatte. Irgendwie war es ihm nicht passend erschienen. Ihre Reaktion auf seine Nachricht hatte das Thema vollkommen aus seinem Kopf verdrängt. Allerdings hatte er sich mit Lottie beraten und dann Milo alle Fotos gezeigt.
»Ich kann mir zwar nicht wirklich vorstellen, dass er etwas Erhellendes dazu beitragen kann«, hatte Matt zu ihr gemeint, »aber einen Versuch ist es wert, oder? Er hat sie noch nie gesehen und kann sie ganz unvoreingenommen betrachten.« Und sie hatte ihm sofort beigepflichtet: Es war der richtige Zeitpunkt.
Und so hatte er Milo nach dem Abendessen sein Problem erklärt, das Paket hervorgeholt und das Bündel Fotos sorgsam über den Tisch geschoben. Milo erfasste die Umstände, ohne endlos Fragen zu stellen – seine rasche, intelligente Reaktion war eine große Erleichterung –, und nahm das erste Foto hoch, dann noch eins.
»Es ist nicht nur, dass keines von Im dabei ist«, erklärte Matt und versuchte, Milos Schweigen
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