Das verborgene Kind
dass die Arbeit an erster Stelle stehen muss; und als wir alles richtig durchdacht hatten, konnten wir dich vollkommen verstehen.«
Jules schaute sie dankbar an. »Danke, Lottie! Für Im ist das natürlich eine große Enttäuschung.«
Er zögerte. Seine Finger verkrampften sich um den Rand des Laufstalls, und er wirkte so tiefunglücklich, dass Lottie die Hand auf seine legte.
»Im wird sich schon damit abfinden«, meinte sie leise. »Natürlich ist es eine Enttäuschung, aber sie kommt darüber hinweg. Hat sie die Scheune schon besichtigt?«
Er nickte. »Sie hat ihr sogar gefallen. Das wusste ich vorher. Aber trotzdem ...«
Rosie schaute zu ihnen auf, streckte ihnen ein Spielzeug entgegen und gab ein unverständliches Gebrabbel von sich. Jules bückte sich, um das Spielzeug zu nehmen, und Lottie drückte seine Hand und wandte sich wieder den anderen zu.
»Ich hoffe, du erzählst nichts Gemeines über Annabel, Venetia«, sagte sie, »sodass Im einen vollkommen falschen Eindruck kriegt.«
Imogen drehte sich lachend um. »Sie sagt, das arme Mädchen hätte ein Auge auf Matt geworfen.«
»Und ich habe ihr gesagt, dass Matt auf sich selbst aufpassen kann«, gab Lottie zurück. »Pssst! Ich glaube, sie sind wieder da.«
»Also, was denkst du?«, meinte Lottie im Flüsterton zu Imogen, die ihr in der Küche beim Teekochen half.
»Ein Raubtier«, murmelte Im. »Sie macht uns was vor. Schade, nicht wahr? Ich hatte gehofft, sie wäre was Besonderes. Sie ist allerdings sehr hinter ihm her. Aber Matt scheint die Sache nicht ernst zu sein.«
Lottie lächelte in sich hinein. »Du klingst wie Venetia. Ich glaube, dass Matt überhaupt keine ernsten Absichten hat, aber Gefahr besteht wahrscheinlich immer.«
»Ich werde ein schwesterliches Wort mit ihm reden«, erklärte Im. »Wäre nicht das erste Mal.« Sie schaute sich in der engen Küche um, betrachtete die glänzenden Arbeitsflächen, die Regale mit Milos zerlesenen Kochbüchern und den Holzblock mit seiner gefährlichen Fracht aus blitzenden Messern. »Milo hält diesen Raum so sauber«, meinte sie. »Verblüffend.«
Lottie wärmte die Teekanne vor und nahm die Teedose aus dem Regal. »Kennst du den alten Spruch? ›Die Navy rettet die Welt, und die Armee macht sauber.‹ Sag das nur nicht Milo weiter. Ich bin in seinem Heiligtum nur gerade eben zugelassen, um Tee und Kaffee zu kochen.«
Im kicherte. »Gut, dass du dir nichts daraus machst.«
»Mir etwas daraus machen? Du scherzt wohl? Ganz im Gegenteil, ich bemühe mich, den Eindruck zu erwecken, dass ich in allen kulinarischen Belangen nutzlos bin. Das kommt mir ganz zupass. Er erlaubt mir nicht mal, Brot zu schneiden, weil er behauptet, ich bekäme keine gerade Scheibe zustande.«
»Aber ihr versteht euch doch so gut.«
»Das liegt daran, dass wir uns da, wo es darauf ankommt, nicht in die Angelegenheiten des anderen einmischen. Wenn er den Speiseplan aufstellen und die Küche auf seine Art organisieren will, kann mir das nur recht sein. Auf der anderen Seite brauche ich mich nicht mit ihm darüber abzusprechen, wann ich meine Freunde treffe oder was ich tue. Und er spielt Bridge und geht auf die Jagd, wann immer er will. Es reicht uns, unsere Gemeinsamkeiten zu pflegen. Da gibt es nichts von den gegenseitigen Verhören oder kritischen Bemerkungen, mit denen Ehepaare leben müssen. Wahrscheinlich liegt das daran, dass wir uns nie mit Sex und dem ganzen emotionalen Wirrwarr herumschlagen mussten, das mit einer körperlichen Beziehung einhergeht.« Imogen starrte Lottie an, und die lächelte über deren Miene. »Was habt ihr denn nun für ein Problem mit dem Sommerhaus, du und Jules? Ihr wisst beide, dass es nicht das Richtige für euch ist, und trotzdem zerfleischt ihr euch deswegen. Warum?«
Im wandte den Blick ab. »So einfach ist das eben nicht«, murmelte sie abwehrend.
»Warum denn nicht?«, wollte Lottie wissen. Das Wasser im Kessel kochte, und sie goss den Tee auf. »Liegt es daran, dass ihr mit euren Emotionen angesichts der vollkommen klaren, vernünftigen Entscheidung, das Sommerhaus nicht zu kaufen, so ein Chaos schafft? Vielleicht glaubst du, dass Jules wegen deiner Enttäuschung mehr Mitgefühl zeigen sollte und dass er dich nicht genug liebt. Möglicherweise denkt er, dass gar kein Mitgefühl angebracht ist, weil du nicht verstehst, dass die Entscheidung wegen seines Jobs richtig ist, sodass er glaubt, dass du ihn nicht genug schätzt.« Sie hielt inne. »Und was hat Nick mit dem Ganzen zu
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