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Das verborgene Kind

Das verborgene Kind

Titel: Das verborgene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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gewachsen, und ihre Wurzeln haben ihn umgestoßen. Ich habe ihn nur gefunden, weil ich gezielt danach gesucht habe.«
    Lottie nahm den Engel ganz behutsam in die Hand und fuhr mit dem Finger über seine steinernen Narben.
    Matt beobachtete sie. »Verstehst du, sie konnte das Kind nicht vergessen. Genau wie Mum.«
    Lotties Hände verharrten unbeweglich, und sie blickte Matt stirnrunzelnd an.
    »Ja«, fuhr er eindringlich fort. »Genau das ist es. Helena hatte Zwillinge – genau wie Mum. Aber einer ist gestorben, und sie konnte ihn nicht vergessen. Helena zog sich zurück und sperrte sich hier ein, aber der kleine George erinnerte sie ständig an das Kind, das sie verloren hatte. Verstehst du das? Das ist die Verbindung, die ich spüre. Ich glaube, dass ich einen Zwilling hatte, der gestorben ist. Das erklärt mein Gefühl von Einsamkeit und Verlust. Und meine Albträume und die Erinnerung mit der Empfindung, als sei ich von jemandem getrennt worden und sähe mein eigenes Gesicht in einem Spiegel.«
    »Es gab ein Kind«, erinnerte Lottie sich, die immer noch den Cherub in den Händen hielt. »Als ich Tom einmal gefragt habe, warum Helen so melancholisch sei, sagte er, sie habe eine Fehlgeburt gehabt.«
    »Aber hat er das wirklich? Bist du dir sicher, dass er genau diese Worte gebraucht hat?«
    »Du meinst, er hat vielleicht gesagt, sie hätte ein Kind verloren, und ich habe sofort angenommen, dass es eine Fehlgeburt war?«
    »Das haben wir alle geglaubt, nicht wahr? Wir sind damit aufgewachsen, dass vage davon gesprochen wurde, Mum habe ein Kind verloren, und aus irgendeinem Grund haben wir uns eine Fehlgeburt vorgestellt. Und niemand durfte darüber reden. Angenommen, ich habe recht und ich hatte tatsächlich einen Zwilling, der gestorben ist, als er noch sehr klein war, und sie konnte es einfach nicht verwinden? Und dann ist Dad umgekommen, und sie hat einfach vollkommen den Mut verloren. Sie wollte nie über die Vergangenheit reden, stimmt’s? Dann versteinerte ihr Gesicht, und sie wurde zornig. Und ich muss sie ja ständig an ihn erinnert haben, oder?«
    Lottie runzelte nachdenklich die Stirn. »Ja, so war es wohl. Und die Fotos ...?«
    »Helena hat Georges Zwilling in ihre Bilder hineingemalt. Er ist immer an Georges Seite. Angenommen, diese Fotos, die Mum von mir gemacht hat, waren ihre Art, sich an meinen Bruder zu erinnern? Sie steckte mich in andere Sachen und nahm mich vor anderen Hintergründen auf, um sich vorzumachen, er sei noch da, nur in einer leicht veränderten Welt. Deswegen war Im auch nie mit auf den Bildern. Dann hätte Mum diese Fiktion nicht so gut aufrechterhalten können, oder? Beim Malen kann man seine Phantasien so viel besser umsetzen.«
    Mit zitternder Hand trank Matt von seinem Kaffee. Diese Erklärung für die Last, an der er schon so lange trug, kam ihm wie ein Wunder vor: wie die Verheißung, dass er endlich Frieden finden würde. Lottie beobachtete ihn mitfühlend. Sie stellte den Cherub auf den Tisch zwischen ihnen.
    »Ich glaube, dass du recht hast, dass du einen Zwillingsbruder hattest ...«
    »Ich habe einfach so ein starkes Gefühl, als wäre Helena hier und versuchte es mir zu sagen. Als bäte sie mich, Georges Zwilling nicht zu vergessen«, ereiferte er sich. »Wir könnten doch Milo danach fragen, oder? Aber ich möchte nicht, dass das jetzt schon jemand anderer über mich erfährt.«
    »Nicht einmal Im?«
    Er zögerte. »Noch nicht. Ich muss mich erst selbst daran gewöhnen. Obwohl es mir, um ehrlich zu sein, so richtig und natürlich vorkommt, dass es kaum eine Überraschung ist. Nur eine gewaltige Erleichterung.«
    »Dann sagst du es ihr, sobald du es für richtig hältst.« Lottie trank noch etwas von dem Kaffee, während er in den Garten schaute, tief in Gedanken versunken, ohne etwas zu sehen. »Ich muss zurück zum Frühstück. Venetia wartet sicher schon auf ihren Morgentee.«
    Sie standen beide auf. Lottie umarmte Matt und hielt ihn für einen Moment fest. Er lächelte wortlos auf sie herab, und sie schmunzelte leise. Dann verabschiedete sie sich.
    Matt schaute ihr nach, bevor er mit dem kleinen Cherub ins Haus ging. Behutsam wusch er Schlamm und Flecken von dem rauen Stein und trocknete ihn mit einem weichen Tuch ab. Mit dem Engel in der Hand schlenderte er durch das Haus und suchte nach dem richtigen Platz für ihn.
    Er stieg die Stufen hinauf, die auf halber Höhe die Richtung wechselten und zu einem breiten Treppenabsatz führten. Dort blieb er stehen. Vor ein

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