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Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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davor hocken blieb. Sie war wie gelähmt vor Freude, und es überraschte sie nicht, dass sie Tränen auf ihren Wangen spürte. Mit schmutzigen Händen wischte sie sie ab und ging auf das Haus zu. Sie sah Élodie und Delphine mit einem weite ren Mädchen, das sie nicht kannte, durchs Gartentor hinaus- und den Pfad zum Strand entlangrennen. Élodie war wieder ein ganzes Stück gewachsen, und Delphines Haar war viel länger. Ihr ganzes Erscheinungsbild belegte die Vielfalt der schönen und neuen Dinge, die sie seit ihrem letzten Besuch hier erlebt und gesehen hatten, während Dimity dieselbe geblieben, stehen geblieben war. Sie sah ihnen nach, bis die drei zierlichen Gestalten verschwunden waren, und ging dann zur Küchentür. Alles Blut schoss ihr in den Kopf, sodass sie durch das Rauschen in ihren Ohren fast nichts anderes mehr hören konnte.
    In diesem Moment trat Celeste aus der Tür, sah sie und blieb stehen. Die Frau aus Marokko presste die Lippen zusammen, und Dimity glaubte, einen gereizten Ausdruck über ihr Gesicht huschen zu sehen, gefolgt von einer Art Resignation und schließlich einem Lächeln.
    »Mitzy. Noch ehe das Teewasser kocht«, sagte sie, fasste Mitzy bei den Oberarmen und küsste sie auf beide Wangen. »Wie geht es dir? Und deiner Mutter?«
    »Sie kommen so spät«, murmelte Dimity, und Celeste warf ihr einen verwunderten Blick zu.
    »Tja, wir hatten überlegt, ob wir dieses Jahr überhaupt hierherkommen oder lieber ein Haus in Italien nehmen sollten oder vielleicht in Schottland. Aber die Mädchen wollten unbedingt an diesen Strand, und Charles hatte so viel zu tun, dass er zu spät daran gedacht hat, etwas anderes zu arrangieren, also – sind wir wieder da.« Sie bat Dimity nicht herein, bot ihr keinen Tee an. »Wir bleiben wahrscheinlich nicht den ganzen Sommer. Das hängt ganz vom Wetter ab.« In diesem Moment kam Charles mit einer Reisetasche in jeder Hand vom Auto herüber, und Dimity fuhr zu ihm herum.
    »Mitzy! Wie geht es dir, Liebes? Kannst es wohl kaum erwarten, Delphine zu sehen?« Er eilte an ihr vorbei, hielt nur kurz inne, um sie flüchtig auf die Wange zu küssen, und stieg dann mit dem Gepäck die Treppe hinauf. Dimity schloss die Augen und drückte ihre Hand auf die Stelle ihres Gesichts, die seine Lippen berührt hatten. Der Kuss fuhr ihr wie ein Blitz heißer Freude bis hinab in den Bauch. Als sie die Augen öffnete, beobachtete Celeste sie aufmerksam, und ein Ausdruck, der abschätzend und vage argwöhnisch wirkte, huschte über ihr Gesicht. Dimity errötete und überlegte fieberhaft, was sie sagen sollte, doch ihr Kopf blieb leer.
    »Nun«, sagte Celeste schließlich. »Die Mädchen sind schon zum Strand hinuntergegangen. Delphine hat eine Freundin eingeladen, die diese Woche mit uns verbringen wird. Geh doch zu ihnen und sag Hallo.«
    Dimity tat wie geheißen, aber ihr wurde sofort klar, dass es diesmal nicht dasselbe sein würde – wegen Delphines Freundin waren sie nun zu viert. Das Mädchen hieß Mary. Sie hatte hellblondes Haar, das sehr erwachsen frisiert und in Wellen gelegt war, und blaue Augen, die belustigt blitz ten, als sie Dimitys abgerissene Kleidung und ihre nack ten Füße sah. Trotz Delphines herzlicher Begrüßung hatte Dimity augenblicklich das Gefühl, dass sie nicht willkommen war. Mary hatte eine Bluse aus zarter, himbeerfarbener Seide an, die in der Brise flatterte. Sie trug glitzernden Schmuck und einen Hauch Farbe auf den Lippen.
    »Hallo, Mitzy!«, rief Élodie, die auf dem Sand Räder um sie herum schlug. »Sieh dir nur Marys Armband an – ist es nicht wunderhübsch?« Mit hochmütigem Lächeln streckte Mary das Handgelenk aus, und Dimity stimmte zu, dass das Armband sehr hübsch war. Sie fing Delphines Blick auf und sah ihre Freundin erröten und unbehaglich von einem Fuß auf den anderen treten. In Marys Gegenwart wollte Delphine kein Mädchen sein, das etwas in den Hecken sammelte und die Namen der Pflanzen lernte. Vor Mary wollte sie ein Mädchen sein, das einen Filmstar heiraten könnte. Dimity dachte sich eine Besorgung aus, die sie zu erledigen habe, und als sie sich abwandte, hörte sie das blonde Mädchen verächtlich fragen: »Du meine Güte, glaubst du, ich mache ihr Angst? Ob sie überhaupt schon mal ein Bettelarmband gesehen hat?«
    »Sei nicht gemein«, schalt Delphine, klang dabei aber nicht besonders empört.
    »Daddy hat gesagt, dass sie dieses Dorf in ihrem ganzen Leben noch nicht verlassen hat. Kannst du dir vorstellen, wie

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