Das verborgene Lied: Roman (German Edition)
Einladung.
»Ist sie nicht wunderschön?«, bemerkte Annie Langton, die mit einer Cafetiere und zwei Tassen auf einem Tablett hinter ihm erschien. Mit stolzem Lächeln betrachtete sie die Zeichnung. »Ich habe viel zu viel dafür bezahlt. Mein Mann John hat damals noch gelebt, und ihn hat fast der Schlag getroffen. Aber ich musste dieses Bild einfach haben. Sie singt förmlich auf dem Papier, nicht wahr?«
»Ja, so ist es. Ich war bei dieser Auktion. Ich konnte nicht anders, obwohl mir klar war, dass es die reinste Folter sein würde, mitzuerleben, wie jemand es kauft, und zu wissen, dass ich es nie wieder sehen würde.«
»Tja, da sieht man mal wieder, dass man im Leben nie ganz sicher sein kann. Milch und Zucker?«
»Nur Milch, danke.« Zu gern hätte er Mrs. Langton erzählt, dass er Dimity gefunden hatte, dass sie lebte und er sie schon recht gut kennengelernt hatte, doch er hielt sich zurück. Diese Enthüllung sollte in seinem Buch stattfinden, sofern er es denn je fertig schrieb.
»Nun, damals habe ich John gesagt: Geld ist nur Geld. Doch ein Werk der Schönheit ist ein Glück für immer, wie der gute alte Keats sagt.« Sie betrachtete das Bild von Mitzy mit einer so eigenartigen Sehnsucht, dass Zach den Gesichtsausdruck beinahe wiederzuerkennen meinte.
»Sie waren nicht zufällig – eine von Aubreys Frauen?«, fragte er lächelnd. Annie Langton fixierte ihn mit sehr stren gem Blick.
»Junger Mann, als Charles Aubrey in den Krieg zog, war ich noch nicht einmal ein Blitzen in den Augen meines Vaters.«
»Natürlich. Bitte entschuldigen Sie.«
»Schon gut.« Rasch winkte sie ab. »Für so junge Leute wie Sie sieht jeder über fünfzig gleich alt aus, nehme ich an.«
»So jung bin ich gar nicht«, sagte Zach.
»Also nur trampelig, ja?« Ihre Miene blieb ernst, doch ihre Augen funkelten, und Zach grinste verlegen. Mit einem angedeuteten Lächeln wechselte sie das Thema. »Wenn ich Paul Gibbons recht verstanden habe, interessieren Sie sich besonders für eines der Porträts von Dennis? Wissen Sie denn, wer er war?«
»Nein. Ich hatte beinahe gehofft, Sie könnten mir das sagen.«
»Tja, dann werden wir das Geheimnis wohl nicht lüften. Ich fürchte, ich habe keine Ahnung, wer er gewesen sein könnte. Ich habe ein wenig nachgeforscht, obwohl ich natürlich nicht behaupten kann, auch nur annähernd so viel über Aubrey zu wissen wie Sie als Fachmann. Ich habe nirgends einen Hinweis auf Dennis gefunden.«
»Nein, ich auch nicht.«
»O weh – ich hoffe, Sie sind nicht den ganzen weiten Weg hierhergekommen, um mich danach zu fragen?«
»Nein, nein. Ich habe eine Theorie zu diesen Bildern von Dennis. Und ich hatte gehofft, Ihr Original zu sehen könnte mir helfen, etwas aufzuklären.«
»Ach ja?« Sie nippte an ihrem Kaffee, ohne den durchdringenden Blick von ihm abzuwenden. Zach erkannte, dass es keinen Zweck hatte, etwas vor ihr verbergen zu wollen.
»Dass Dennis nirgends erwähnt wird, macht mir Sorgen. Es erscheint mir kaum möglich, wenn man den angeblichen Entstehungszeitpunkt bedenkt. Wenn die Datierungen stimmen, müsste Dennis ziemlich sicher irgendwann in Blacknowle gewesen sein. Aber ich war eine ganze Weile dort und habe mit einigen Leuten gesprochen, die damals schon in dem Ort gelebt haben. Und niemand hat je von ihm gehört.«
»Den angeblichen Zeitpunkt, sagen Sie? Wollen Sie damit etwa andeuten, dass Sie die Porträts nicht für echt halten?«
»Ich weiß, so etwas möchte niemand hören. Aber finden Sie es nicht seltsam, dass diese Porträts, die einzigen von Dennis, die bisher bekannt geworden sind, alle erst in den letzten Jahren zum Verkauf angeboten wurden? Anscheinend vom selben Verkäufer? Und dass sie alle einander sehr ähnlich sind, aber irgendwie doch nicht ganz denselben Mann zu zeigen scheinen?«
»Da gebe ich Ihnen recht. Das ist wirklich seltsam. Aber man muss sich nur die Ausführung ansehen, um zu wissen, dass sie eindeutig von Charles Aubrey stammen. Vielleicht hat er sich mit Dennis überworfen, wer immer er gewesen sein mag. Vielleicht hat Aubrey selbst den jungen Mann aus seinem Leben getilgt, ehe er fiel. Und vielleicht war er selbst mit den Bildern nicht zufrieden und hat sie versteckt. Möglicherweise wurden sie deshalb noch nie angeboten. Bis jetzt.«
»Das könnte sein, ja. Aber ich kann es irgendwie nicht recht glauben.«
Sie führte ihn über den Flur in ein großes Arbeitszimmer, das von einem schimmernden Schreibtisch aus Wal nussholz beherrscht
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