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Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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mit kunstvollen Schnitzereien verziert, doch wie die übrigen Gebäude an der schmalen Straße wirkte das Haus selbst beinahe baufällig. Dimity war ein wenig enttäuscht, bis sie durch die Tür traten und in einem gekachelten Innenhof mit einem marmornen Springbrunnen in der Mitte standen. Auf Steinbänken lagen ausgebleichte Matten und Kissen, und um die Säulen, die mehrere obere Stockwerke stützten, rankten sich üppige Rosen. Alle drei Mädchen richteten im selben Moment staunend den Blick nach oben. Es hatte etwas Unvergleichliches, ein Gebäude zu betreten, um dann zu entdecken, dass sich der klare, inzwischen blass grüne Himmel noch immer über ihnen erstreckte. Ein ein zelnder Stern war schon aufgegangen und glitzerte dort oben. Der Boden bestand aus blau-weißem Mosaik in komplizierten Mustern, die Wände waren teils gekachelt, teils verputzt und gestrichen, und überall gab es winzige Lücken, wo ein Fragment fehlte, kleine Risse und Fleckchen, an denen sich eine Kachel gelöst hatte und herabgefallen war – Unvollkommenheiten, die das Ganze nur noch magischer wirken ließen.
    »So baut man in Dorset nicht, oder?«, sagte Celeste dicht an Dimitys Ohr, und sie schüttelte stumm den Kopf.
    Sie setzten sich in den Hof, und ihnen wurde ein Tablett mit stark gesüßtem Pfefferminztee gebracht. Ein Diener lief immer wieder zur Tür hinaus und trug ihr Gepäck von dem Handkarren herein und die Treppe hinauf. Jedes Mal, wenn der Junge vorbeikam, starrte Dimity ihn an – sein lockiges schwarzes Haar und die kaffeebraune Haut. Als sie ihn mit ihrer kleinen, schäbigen Reisetasche in einer Hand sah, zog sich ihr Magen mit einem seltsamen Gefühl zusam men. Niemand hatte je etwas für sie getragen, geschweige denn ein Diener. Jemand, von dem sie etwas verlangen konnte und der verpflichtet war, ihr zu gehorchen. Sie verrenkte sich den Hals, um ihn so lange wie möglich im Auge zu behal ten, bis er um eine Biegung der Treppe verschwand. Delphine, die neben ihr saß, stupste sie mit dem Ellbogen an und warf ihr einen vielsagenden Blick zu.
    »Nicht übel, finde ich auch«, flüsterte sie. »Aber keine Chance gegen Tyrone Power.« Ihr gedämpftes Lachen wirbelte durch den Hof, zurückgeworfen von dem bröckelnden rosaroten Putz.
    Dimity, Delphine und Élodie teilten sich ein Zimmer mit einer niedrigen Gewölbedecke, von der eine auffällige Lampe herabhing. Sie war aus fein durchbrochenem Metall und warf komplizierte kleine Lichtmuster an die Wände. Der Kachelboden war kühl, die Wände mit abblätternder Ockerfarbe gestrichen. Ihre Betten bestanden aus niedrigen, harten Matratzen mit kleinen Polstern als Kissen und je einer dünnen Decke, die zusammengefaltet am Fußende lag. Vor den hohen Fenstern befand sich eine steinerne Balustrade, und sie schauten auf das Gebäude gegenüber und den Hügel hinab auf den Rest der Stadt hinaus. Der Himmel war inzwischen samtig schwarz und von mehr Sternen erhellt, als Dimity je zuvor gesehen hatte.
    »Als wäre es ein anderer Himmel, nicht wahr?«, bemerkte Delphine, die zu ihr trat, während Élodie an der Wand hinter ihnen Handstand übte. Die Beine ihres Schlafanzugs rutschten jedes Mal herunter und entblößten ihre mageren Waden. »Man kann sich kaum vorstellen, dass dies derselbe Mond und dieselben Sterne sind, die über England leuchten.«
    »In Blacknowle sieht man in manchen Nächten im Sommer vielleicht so viele Sterne. Manchmal – aber der Himmel ist nie so schwarz, und die Sterne sind nie so hell«, sagte Dimity. »Wird es denn nachts nicht kühler?«
    »Gegen Morgen, ja, und draußen in der Wüste wird es eiskalt in der Nacht. Aber hier in der Stadt bleibt es noch lange warm, nachdem die Sonne untergegangen ist. Die Hitze fängt sich zwischen den Gebäuden«, erklärte Delphine. Dimity schaute auf die schmalen Straßen hinab und konnte die heiße Luft beinahe dort liegen sehen, fett und träge wie ein überfütterter Hund. Auf einmal war sie so erschöpft, dass sie kaum mehr stehen konnte und sich an die steinerne Balustrade lehnen musste. »Geht es dir nicht gut? Hast du auch genug Wasser getrunken?«
    »Ich … Ich weiß nicht.«
    »Hier muss man immer viel trinken, auch wenn man keinen Durst hat. Sonst macht einen die Hitze schwach bis zur Ohnmacht. Ich hole dir welches.«
    »Bring mir auch Wasser mit, Delphine!«, rief Élodie, die noch immer auf den Händen stehend an der Wand lehnte, als ihre Schwester das Zimmer verließ.
    Die Mädchen blieben lange auf, und

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