Das verborgene Wort
auf, sagte er. Wir fahren nach Mühlerath. Ins Schloßcafe.
Die erste Prüfung hatte ich bestanden.
Es war schön, etwas Wirkliches zu tun, aus freien Stücken. Auf den Rücksitz einer Vespa steigen, die Arme um die Brust eines Jungen legen, den Fahrtwind spüren, der meinen Zopf vom Rücken hob, Münchhausens Zöpfchen beim Kanonenkugelritt. Peters Rücken roch nach frisch gebügeltem Hemd und würziger Haut, Wind und Motorradlärm verschlossen die Ohren, die Chausseebäume flogen vorbei, ich war ein Wesen inmitten aller anderen, ich war ich, ohne Bücher und ohne hellen Geist, ich spürte mich als kühlen Wind auf der Haut, in den Haaren, den Ohren, den Augen, die vom scharfen Zug zu tränen begannen, glückliche Tränen, ich leckte ihr Salz von den Lippen.
Peter steuerte direkt zum Schloß. In der Stadt war die feuchtwarme Luft dick vom Benzingeruch, Pfützen, denen Peter geschickt auswich, schimmerten in den Farben des Regenbogens.
Seit dem letzten Jahr hatte Peter an Sicherheit gewonnen; er schlängelte sich vor mir an den Stühlen vorbei, machte einen der wenigen freien Tische aus, schob mir, kaum verlegen, sogar den Stuhl zurecht. Isch hab einen Tanzkurs jemacht, erklärte er, da lernt man auch Benimm.
Das kann man im Leben immer brauchen, sagte ich und dachte an Lene und ihren Botho und daß sie mit Niembsch hatte vorliebnehmen müssen. Jedenfalls hatte Peter nun Benimm, und Fischbrötchen aß er auch nicht.
Peter reichte mir die Karte. Hast du schon jejessen? fragte er. Ich nickte. Nichts hatte ich seit mittags gegessen.
Ein Könijinpastetschen vielleischt, drängte Peter, bereit, etwas springen zu lassen, wie die Mutter sagen würde. Oder Ragu fäng?
Ich hätte ihm gern den Gefallen getan, doch mein Magen, meine Nerven, jede Zelle meines Körpers wollte etwas anderes. Ich mußte den Kopf schütteln. Drehte die Karte um. Da standen sie, Spirituosen mit Namen, Spiritus hieß Geist, das wußte ich, seit ich den >Schott< studiert, die Sprache Gottes entziffert hatte, Spiritus sanctus, heiliger Geist, >veni creator Spirituss >Komm, Schöpfer Geist, kehr bei uns ein<.
Sie hatten viele Namen, diese Geister, manche plump und gemein, andere protzig und machtvoll, sündhaft und unverblümt, einer stach mir ins Auge, fremde Verlockung: Escorial grün. Einzig der Name verführte mich, spanische Granden und spanische Glut, schwarze Gestalten in gleißendem Licht, verschleierte Damen, sonnenheiße, hohe Mauern, harte Schatten, jedes Ding von jedem geschieden, einsam, allein.
Escorial grün, sagte ich, jede Silbe einzeln verkostend. Escorial grün.
Peter wiederholte das Wort verständnislos, ich mußte es ihm auf der Karte zeigen. Du trinkst Schnaps? entsetzte er sich.
Schnaps? Keine Spur. Escorial grün ist reine Medizin. So etwas wie Underberg. Pure Kräuterkraft.
Ach so, Peter war erleichtert. Bestellte für sich Würstchen und Kartoffelsalat, Bier und tippte mit dem Finger auf meine Medizin.
Er schimmerte grün wie feuchtes Gras in der Dämmerung, dunkel verschattet, und roch wie ein reicher Verwandter des Underberg. Peter wollte nicht einmal schnuppern an dieser grünen Betörung in kugliger Schale auf dünnem Stiel, flüssige Blüte auf gläsernem Stengel, an diesem Duft nach nächtlichen Abenteuern, Mantel und Degen, Capes, um die Schulter geschlagen, Spitzenschleier, Mantillas, verbotenen Blicken, Sünde womöglich.
Ich kippte ihn, wie ich es bei seinem armen Vetter, dem Underberg, gelernt hatte, den Kontakt mit Zunge und Gaumen vermeidend, dem Geschmack ausweichend, direkt in den Rachen. Ein triumphales Wohlgefühl stieg in mir auf, verbreitete sich vom Magen in langen, flutenden Wellen bis unter die Haarwurzeln,bis in den kleinen Zeh. In diesem Spiritus verbanden sich die Kräfte des hellen mit denen des Kräutergeistes zu einer überwältigenden Macht, die mein Ich unverzüglich wieder von mir Besitz und die Führung übernehmen ließ.
Das Ich lächelte Peter an, als habe der sich soeben aus einer Bestie in einen Prinzen verwandelt, Schneeweißchen und Rosenrot. Mit der Anteilnahme einer wohlwollenden Erbtante fragte Ich nach seiner Gesellenprüfung, er antwortete gesprächig wie nie, als flösse ein Strom der grünen Kraft von mir zu ihm, als vermöchte ich ihn zu beseelen mit grünem Geist.
Ohne Peter zu fragen, rief Ich den Ober, Ich fragte niemals, weder mich noch jemand anderen, ich tat, was Ich wollte, ich hatte da nichts mehr zu sagen. Es gefiel mir, was Ich tat, ich freute mich mit Ich
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