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Das verborgene Wort

Das verborgene Wort

Titel: Das verborgene Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Hahn
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würde mir in den nächsten Stunden nichts helfen. Im Gegenteil.
    Kaum öffnete ich leise, leise das Gartentor, riß die Mutter die Haustür auf. In der Hand den >Schott<. Die Vorderseite des Einbands an der äußersten Ecke mit spitzen Fingern wie irgend etwas Vergiftetes, Dreckiges, Ekliges haltend, schwenkte sie den Buchkörper hin und her, daß die Seiten im Luftzug knatterten und aus dem Leim zu gehen drohten.
    Mama, schrie ich, so darfs de doch keen Booch anpacke. Ich stürzte mich auf die Mutter, die das Buch hoch über ihren Kopf hielt, mich im Genick packte und uns beide schüttelte, das Buch und mich, wie von Sinnen.
    Wat fällt dir een? Düvelsbrode. Wees de, wat de bis? Du bis ene Verbrescher. So jet wie desch jehürt henger Schloß un Riejel. Du jehürst en de Verwahranstalt. Do kanns de ens Iure, wat die mit dir mache. Do kanns de em Düstere setze bei Wasser un Bruut. Un jede Owend jet op die nacke Fott [24] . Waat, bes dä Papp no Huus kütt.
    Mama, heulte ich, dat Booch, du mähs dat Booch jo janz kapott.
    Esch, schrie die Mutter, esch mach dat Booch kapott? Do häs de ding Booch!
    Sie schlug mir das Buch ein paarmal um die Ohren und auf den Kopf. Mit geschlossenen Buchdeckeln. Das ging besser.
    Wo du dat nur her häs, ze klaue, dat is bei us noch nit vürjekumme. Mittlerweile waren die Fenster der Nachbarschaft aufgegangen. Julchen hing ihren plumeauartigen, Klärchen ihren unsichtbaren Busen auf das Fensterbrett, Birgits Mutter stellte ihre Einkaufstasche ab, der Geselle aus der Gärtnerei gegenüber trat an den Zaun. Jo, rief Julchen mit ihrer mannstiefen Stimme, et kütt och immer met de Fenger dursch usere Zong un holt sesch de Knallääze [25] . Birgit, die mit mir nach Hause gekommen war, entdeckte ihre Mutter, lief zu ihr und schmiegte sich Schutz suchend zwischen ihre Knie, als sie die böse Stimme meiner Mutter hörte. Die Mutter stand vor der weit geöffneten Haustür auf der obersten Treppenstufe neben Hortensie und Fliederbusch, beide voller Knospen, in der einen Hand den »Schott<, hoch erhoben - so hatte Pater Leppich im Zelt die Bibel gehalten in der anderen Hand noch immer mich im Genick. Hinten im Flur machte sich die Großmutter zu schaffen. Oma, schrie ich, die Mama mät dat Booch kapott. Jottes Wort. Lating!
    Loß ens Iure, die Großmutter nahm der Mutter das Buch aus der Hand. Jo, dat es ene >Schott<. Un wäm jehöt dä?
    Nur unvollkommen war es mir gelungen, mit einem Kieselstein den goldgeprägten Namen Eleonore Unkelbach aus dem harten Leder zu schaben.
    Dä Unkelbachs, stieß die Mutter hervor.
    Aha, sagte die Großmutter, die han jenuch an de Fööß [26] . Vun dänne ene >Schott< metzenämme, is nit schlimmer wie fringse [27] .
    Es half nichts. Der Abend kam und mit ihm der Vater.
    Alle waren im Wohnzimmer versammelt, bis auf den Großvater, der mir übers Haar gestrichen, seinen Sack geschnappt und sich davongemacht hatte. Auf dem Tisch der >Schott<. Hinterm Tisch der Vater. Vor dem Vater ich.
    Dat Blaach hät dat Booch jeklaut, sagte die Mutter.
    Et es eene >Schott<, sagte die Großmutter. Dat kütt dovun, wenn dat Weet ke Jebäätbooch hät.
    Der Vater reckte sich, langte hinter die Uhr und holte das blaue Stöckchen hervor. Wog es in der rechten, das Buch in der linken Hand.
    Hau drupp, sagte die Mutter, et hät et verdeent.
    Kaum aber hatte der Vater zu schlagen, die Mutter die Schläge zu zählen begonnen, als ich zu brüllen anfing: Tanten, Egon, Sapper, Mentem, Vreni, Rebock, Cerberum. Alles, was ich mir eingeprägt hatte.
    Um Jottes willen, Josäff, hür op! Dat kallt jo wie dä Pastur, schrie die Großmutter.
    Hau drupp! schrie die Mutter, us däm kallt dä Düvel.
    Krebsrot vor Trotz und Tränen, wurde ich von der Mutter, den >Schott< unterm Arm, zu Unkelbachs gezerrt. Energisch preßte sie den Klingelknopf, den sie sonst nur anzutippen wagte.
    Nu beseht ösch dat ens, sagte die Mutter statt einer Begrüßung und drückte Frau Unkelbach den >Schott< in die Hand. Wir wurden ins Wohnzimmer gebeten.
    Das ist ein >Schott<, sagte Frau Unkelbach. Wir haben aber schon einen. Also wenn Sie einen verkaufen wollen...
    Dat he is öjer Booch. Die Mutter riß den >Schott< wieder an sich und bohrte den Zeigefinger in das zerkratzte Leder.
    Frau Unkelbach warf einen Blick ins Regal und begriff. Ach, wir haben das Buch noch gar nicht vermißt. Wer guckt denn schon jeden Tag in einen >Schott<.
    Und dat he, die Mutter knöpfte mir, obwohl ich das selbst längst konnte, den Mantel

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