Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen
Wenn man glaubt, was diese Frauen gesagt haben, hat dieses Virus aufgehört zu existieren oder sich in eine ungefährliche Form zurückverwandelt. Etwas in der Art. Der Auslöser für die Feindschaft sei damit verschwunden.«
»Und warum stehen wir dann kurz vor einem Krieg? Wenn das stimmt, was du sagst, könnten wir uns doch die Hände reichen, und alles wäre gut.«
»Ja. Nur, dass das einigen einen Strich durch ihre Pläne machen würde. Dem Inquisitor zum Beispiel. Die beiden Frauen sagen, der Grund für unsere jetzigen Probleme sei nicht der ursprüngliche Auslöser, sondern unsere verkrusteten Gesellschaftsstrukturen. Wir wären so mit dem täglichen Überlebenskampf beschäftigt, dass wir gar nicht mehr über den Tellerrand blicken könnten.«
Logan drehte das Radio in seiner Hand hin und her. Er war nachdenklich geworden. Er musste zugeben, die Sache mit dem Tellerrand klang irgendwie schlüssig. Kaum einer hatte Zeit, über so etwas wie
Gesellschaftsformen
nachzudenken. Aber der Rest war natürlich kompletter Unfug. Ein Virus? Er schüttelte den Kopf. »Frauen sind mir egal«, murmelte er.
»Bist du sicher?«
»Klar. Ich finde, jeder soll da bleiben, wo er ist, und in Ruhe und Frieden sein Leben führen.«
»Und warum hast du mich dann zurückgekauft?«
Überrascht blickte er auf. Er spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Das war genau die Frage, die er sich selbst schon oft gestellt, auf die er aber bislang keine Antwort gefunden hatte.
»Vielleicht aus Verantwortungsgefühl, aus schlechtem Gewissen … wer weiß?«
»Ist das wirklich alles?«
»Was sollte es denn sonst sein?«
»Ich rede von Gefühlen«, sagte sie. »Gefühle, die es eigentlich gar nicht geben dürfte, wenn man unseren geistigen und politischen Führern Glauben schenkt. Ich habe lange darüber nachgedacht. Die Mappe dieses Wanderers hat mich auf die Spur gebracht. Ich glaube, ich weiß jetzt, warum Juna David befreit hat. Es hat genau mit dieser Sache zu tun. Jahrelang waren die Gefühle verschwunden, doch auf einmal sind sie wieder da. Ich glaube nicht, dass das ein Zufall ist.« Sie schlang ihre Arme um die Knie und wippte leicht vor und zurück. Sie sah aus, als würde sie frieren. Logan sah ihr eine Weile zu, dann streifte er seinen Umhang ab und legte ihn ihr über die Schultern. Sie schien es gar nicht zu bemerken.
»Vielleicht ist das, was wir gerade erleben, eine Art Revolution«, sagte sie. »Eine Umwälzung, wie sie das letzte Mal vor fünfundsechzig Jahren stattgefunden hat. Ich gebe zu, es klingt ein bisschen verrückt, aber ich kann seit Tagen an nichts anderes mehr denken. Ich glaube, viele von uns spüren den Wandel, sie wollen ihn bloß nicht wahrhaben. Vielleicht fehlt ihnen auch der Mut. Sie verdrängen die Wahrheit und hoffen, dass unsere Führer schon wissen, was sie tun. Aber das ist nicht der Fall. Sie wissen genauso wenig wie wir. Das ist der Grund, warum wir jetzt wieder am Rande eines Krieges stehen.« Sie hob den Kopf. In ihren Augen lag ein spezielles Funkeln. »Kann es sein, dass du dich in mich verliebt hast?«
Logan musste nach Luft schnappen. Das schlug dem Fass den Boden aus.
»Ich …
was?
«
Sie lächelte. »Eine einfache Frage.«
Er spürte sein Herz schlagen. Er war sprachlos. Seine Gefühle waren ein einziges Durcheinander.
Ihr Lächeln wurde breiter. »Ich warte.«
Logan ballte die Hände zu Fäusten. Jetzt hatte sie ihn ganz schön in die Ecke manövriert.
Halb aus Wut, halb aber auch aus dem Umstand heraus, dass er absolut keine Ahnung hatte, was er jetzt machen sollte, drehte er sich zu ihr um und küsste sie.
Und sie erwiderte seinen Kuss.
In der Dunkelheit, nur etwa einen Steinwurf entfernt, war eine Bewegung zu erkennen. Nicht für die beiden auf der Holzbank, die hatten alles um sich herum vergessen. Auch nicht für den Schmied und seinen kleinen Sohn, die lagen bereits in ihren Betten und schliefen tief und fest. Aber ein Spaziergänger, der just zu diesem Zeitpunkt am Haus des Schmieds vorbeigekommen wäre, hätte vielleicht eine dunkle Gestalt bemerkt, die aufstand und sich auf leisen Sohlen davonstahl. Zu welchem Zweck und mit welchem Ziel, das blieb ihr Geheimnis.
45
D ie Hütte lag etwas abseits des Weges im Wald, inmitten einer Ansammlung uralter Kastanien. Ein völlig überwachsenes Gebäude, das früher einmal einem Waldarbeiter oder Einsiedler gehört haben mochte. Dicke Moospolster und Flechtenbärte hingen vom Dach herab, überwucherten Seiten und
Weitere Kostenlose Bücher