Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen
braunes Grinsen sehen, spuckte in seine Hand und hielt sie Logan hin. »Ich sehe, wir verstehen uns. Nenn mich Paul.«
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D ie Riemen waren etwa achtzig Zentimeter lang und bestanden aus hauchdünnem Leder, in das kleine Metallstückchen eingeflochten waren. Die neun Enden waren zu einer Knute zusammengebunden und endeten in einem Haltestück von der Länge seines Unterarms.
Die neunschwänzige Katze war nicht irgendeine Peitsche. Ihre Tradition reichte bis weit ins Mittelalter zurück und machte sie damit zu einem von der Kirche offiziell anerkannten Instrument zur Bestrafung der Sünden. Marcus Capistranus strich mit seinen Fingern zärtlich über den lederumwickelten Griff. Sein Hemd und seine Kutte hatte er bereits abgelegt. In der Reflexion des Spiegels stand ein magerer, weißhäutiger Mann, dessen Rippen wie Schiffsspanten hervortraten und dessen Haut an vielen Stellen von Verbrennungen dunkel gefärbt war. Die Rußpartikel waren so tief eingedrungen, dass sie sich nicht mehr wegwaschen ließen, was sie quasi zu einem Teil von ihm selbst machten. So viele Jahre lebte er jetzt schon mit diesem Anblick, dass es ihn nicht mehr schockierte. Was ihn aber schockierte – was ihn zutiefst beunruhigte –, war das Gefühl, das er heute unten in der Krypta empfunden hatte. Ein Gefühl, das er längst vergessen hatte, das aber, einer schorfigen Wunde gleich, wieder aufgebrochen war.
Seine Finger umschlossen den Griff. Prüfend ließ er die Lederriemen durch die Luft pfeifen.
Er war bereit.
Er atmete tief ein, konzentrierte seinen Geist auf einen kleinen Punkt in der Mitte seines Körpers und schlug zu.
Der Schmerz war überwältigend. Ein grelles Licht in finsterer Nacht. Noch einmal führte er den Hieb.
… Jesus, Mann der Schmerzen, Hohepriester des neuen Bundes …
Wieder schlug er zu, diesmal auf die andere Schulter.
… Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünden der Welt …
Was war nur über ihn gekommen? Wieso hatte das Weib so eine Macht über ihn?
… Jesus am Ölberg bis zum Tode betrübt, mit blutigem Schweiß bedeckt …
Die vollen Lippen, die dunklen Augen.
… ergeben in den Willen des Vaters, du nimmst hinweg die Sünde der Welt …
Die helle Haut, die weiblichen Rundungen.
… Jesus, von Judas verraten, von den Jüngern verlassen, von Petrus verleugnet, du nimmst hinweg die Sünde der Welt …
Wieder schnitt die Geißel in sein Fleisch.
Noch mal.
Und noch mal.
… Jesus, der Freiheit beraubt, von Geißelhieben zerschlagen, mit Dornen gekrönt und verspottet, du nimmst hinweg die Sünde der Welt …
Tränen rannen über sein Gesicht. Tränen des Schmerzes und der Reue.
… Erbarme dich unser …
Sein Rücken brannte wie Feuer.
… Erbarme dich unser …
Die Kraft verließ ihn. Von den ledernen Enden troff das Blut. Er musste die Geißel sinken lassen.
… Erbarme dich unser …
Er sank auf die Knie und faltete die Hände.
Zehn Minuten oder mehr verharrte er so im Gebet. Dann stand er auf und läutete mit zitternden Händen die Glocke. Das Martyrium war beendet.
Der Sohn des Warlords wartete im Untergeschoss. Cedric und seine Männer hatten auf Stühlen Platz genommen und sahen ungeduldig dem Eintreffen des Inquisitors entgegen.
Marcus Capistranus hatte seine Wunden versorgt und sich ein weites, bequemes Gewand angezogen. Die Schmerzen und der Blutverlust hatten ihn geschwächt, doch sein Geist war befreit. Er hatte das Gefühl, als wäre eine schwere Last von seinen Schultern genommen worden. So hart die Geißelung auch war, das Ergebnis war stets das gleiche: eine Versöhnung mit Gott.
»Cedric, mein Freund. Ich freue mich, dich in meinen Hallen begrüßen zu dürfen. Ich hätte nicht damit gerechnet, dich so bald wiederzusehen.« Er nahm zwischen den Männern Platz und bestellte Wein. »Was führt dich zu mir, und was hat es mit deinem
Geschenk
auf sich?«
Alexanders Sohn senkte den Kopf. »Etwas Schreckliches hat sich ereignet, Euer Eminenz. Etwas, von dem Ihr unbedingt erfahren müsst.«
Capistranus ließ sich vorsichtig in den Sessel gleiten. Der Schmerz war gerade noch erträglich. Er streckte die Hand aus und empfing ein Glas Wein vom Tablett seines Dieners.
»Das klingt sehr bedrohlich. Bitte fahre fort.«
»Ich fürchte, ich bin ohne Eure Hilfe überfordert. Es bedarf jemandes von Eurer spirituellen Weitsicht.«
»Sosehr mich dein Vertrauen auch ehrt, aber wenn es um Staatsgeschäfte geht, ist dafür dein Vater zuständig. Alexander und
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