Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen
»Vielleicht komme ich zu euch. Der Steinerne Turm scheint ganz in Ordnung zu sein.« Er hielt Logan eine Packung mit braunen Würfeln hin. »Willst du einen?«
»Was ist das?«
»Selbstgemachte Lakritze. Aus dem Saft der Süßholzwurzel. Ist echt gut, probier mal.«
Logan nahm einen der braunen Würfel und schnupperte daran. Er fühlte sich gummiartig an und hatte einen komischen Geruch. Todesmutig warf er ihn in seinen Mund, und schon der erste Bissen überzeugte ihn, dass er einen Fehler gemacht hatte.
»Die machen wir selbst«, sagte Stan mit einem zufriedenen Nicken. »Die beste Lakritze, die du in weitem Umkreis finden wirst. Geheimrezeptur, versteht sich. Nur so viel: Es ist ’ne Spur Mäusedreck drin und ’n bisschen Cannabis. Gerade so viel, dass man gut draufkommt.«
Logan lächelte gequält und schluckte den Brocken runter.
»Noch mal wegen der Himmelskerze«, sagte er. »Was soll das Gerede, dass sie verflucht ist? Das ist doch Unsinn, oder?«
Stan schüttelte den Kopf. »Kein Unsinn. Sie ist verflucht, gefährlich, unberechenbar – nenn es, wie du willst. Es gibt Zeiten, da passiert überhaupt nichts, dann wieder verschwinden reihenweise Leute. Manchmal kann man nachts Lichter oben sehen, und unheimliche Geräusche sind zu hören. Ich selbst war schon seit Jahren nicht mehr dort.«
»Und die Bleichen?«
Stan nickte. »Sie hausen im Untergrund. Siehst du den Zugang da drüben?« Er deutete auf etwas, das wie die Zufahrt zu einer Tiefgarage aussah. »Wir haben versucht, den Zugang zu verbarrikadieren, aber sie öffnen ihn immer wieder. Also haben wir einen Stacheldraht um das gesamte Gelände gezogen. Solange du draußen bleibst, gibt’s kein Problem.«
»Steigen sie auch auf den Turm?«
»Keine Ahnung, aber ich würde es lieber nicht darauf ankommen lassen. Es gibt da so ’n alten Aufzug mit ’ner Handwinde. Vielleicht haben sie rausbekommen, wie er funktioniert, aber eigentlich sind sie ziemlich dumm. Also ich an deiner Stelle würde einen weiten Bogen um das Ding machen.« Er warf Logan einen neugierigen Blick zu. »Was ist das für ’ne Sache, der du nachgehen musst?«
Logan winkte ab. »Das war nur so ein Spruch. Genau genommen muss ich da rauf, um in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen zu werden. Bei jedem fällt die Prüfung anders aus. Eine Mutprobe. Männerkram, wenn du verstehst, was ich meine.«
Stan nickte. »Wir haben auch Mutproben, wenn auch nicht ganz so extrem. Bei uns wäre keiner so verrückt, dahinauf zu steigen. Bei euch scheint’s ja ziemlich hart zuzugehen. Muss mir noch überlegen, ob ich später wirklich zu euch komme.« Missmutig schlug er seinen Kragen hoch und blickte hinauf zu den Regenwolken. »Ich glaub, wir machen uns mal wieder vom Acker. Die Wolken sehen aus, als würde es noch eine Weile so weiterregnen. Bist du sicher, dass ich dir die Sache nicht ausreden kann?«
Logan nickte bestimmt.
»Ja, dachte ich mir, aber egal. Wenn du fertig bist und Lust auf ein bisschen Gesellschaft hast, wir leben da drüben in dem großen Gebäude, siehst du das?« Er deutete auf einen roten Backsteinbau, der hinter den Bäumen hervorschimmerte. »War früher mal ’ne Schule, aber heute haben die Jungen das Regiment übernommen. Irgendwie passend, oder?« Er ließ ein breites Lächeln sehen.
»Stimmt.« Logan gefielen diese wilden Jungs. Heute hatte er eine Familie, aber damals, als er jünger war, hätte er sich ihnen bestimmt angeschlossen. Er blickte in ihre ausgemergelten Gesichter, und auf einmal taten sie ihm leid. Er überlegte kurz, dann öffnete er seine Satteltasche.
»Kommt her, ich habe einen Haufen Proviant dabei. Mehr, als ich brauche. Wenn ihr mögt, könnt ihr davon etwas abhaben. Ihr seht aus, als könntet ihr es brauchen.«
Das Leuchten in ihren Augen sagte ihm, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.
25
M itten im schönsten Schlummer wurde Gwen durch heftiges Rütteln geweckt. »Gwen?«
»Hm?«
»Wach auf. Schnell.«
Sie schlug die Augen auf. Sie hatte das Gefühl, gerade erst eingeschlafen zu sein. Im Schein einer Fackel sah sie Mordras besorgtes Gesicht über sich.
»Was ist los?«, murmelte sie. »Ist schon wieder Aufbruchszeit?«
»Kendra glaubt, etwas gesehen zu haben.«
Im Nu war Gwen wach.
Also doch.
»Wie spät ist es?«, fragte sie.
»Kurz nach Tagesanbruch. Durch die Schächte dringt schon das erste Licht. Der Regen scheint langsam nachzulassen.«
»Was hat sie gesehen?«
»Es war bleich und konnte sich
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