Das verbotene Eden 02 - Logan & Gwen
wurde Opfer der blitzschnellen Reflexe und unbändigen Wut, die diese Wesen an den Tag legten. Als sie Mordras Pferd von den Hufen rissen und es zum Umfallen brachten, war bei Gwen der Punkt überschritten. Sie brach in Panik aus. Überall waren nur Klauen und Zähne. Der Lärm, der Gestank und der furchtbare Anblick dieser Wesen – es war einfach zu viel.
Schreiend wandte sie sich um und kletterte den Berg aus rostigem Metall empor. Draht stach ihr in die Hände, rostige Eisenstangen zerrissen ihre Kutte. Doch alles, woran sie denken konnte, war Flucht. Sie wollte weg, nur weg. Es war, als wäre sie plötzlich eine andere. Mit einer Schnelligkeit, die sie sich selbst niemals zugetraut hätte, erklomm sie den Wall aus Müll und erreichte die oberste Kante. Unter ihr tobte der Kampf. Mordra und Kendra, die beiden Schwestern, leisteten den Angreifern erbitterten Widerstand, wurden jedoch immer weiter abgedrängt. Mildred war es irgendwie gelungen, sich wieder freizukämpfen. Sie schloss sich den beiden Schwestern an und schlug wild mit ihrem Schwert um sich. Voller Schrecken sah Gwen, dass einige der Wesen auf sie aufmerksam geworden waren. Mit gefletschten Zähnen und unmenschlichen Lauten begannen sie ebenfalls, den Wall emporzuklettern.
Gwen packte Tasche und Fackel und sprang auf der anderen Seite hinunter. Recht unsanft landete sie auf allen vieren, dann rannte sie los.
26
D urch die schrägen Glasfronten der Turmkanzel strömte graues Tageslicht. Logan trat bis an den Rand des Fensters und blickte in die Tiefe. Da die Wände schräg nach außen geneigt waren, konnte er senkrecht nach unten schauen. Er konnte sehen, wie sich der riesige Betonpfeiler mehr und mehr verjüngte; er glaubte sogar zu spüren, wie das Gebäude im Wind hin und her schwankte. Das Gefühl ließ ihn schwindelig werden. Unter ihm lag die Stadt wie ein gemustertes Tischtuch. Er entdeckte die ehemaligen Parkanlagen, die breite Straße, ja sogar das Schulgebäude, in dem die Kreuzgässler hausten. Weiter hinten ragten die Türme der schwarzen Kathedrale in den Himmel.
Logan wandte sich um und richtete seinen Blick wieder auf das Innere der Turmkanzel. »Hallo? Ist jemand hier?«
Keine Antwort, nur das Pfeifen des Windes durch die zerbrochenen Fenster. Ein seltsamer Geruch hing in der Luft. Irgendwie faulig, als ob hier etwas still vor sich hin moderte. Konnte von den Tauben stammen, die hier überall nisteten. An manchen Stellen war der Boden zentimeterdick mit Vogelkot bedeckt.
»Ist da jemand? Hallo!«
Gespenstische Stille schlug ihm entgegen.
Dieser Ort ist verflucht,
klang Stans Stimme in seinem Ohr.
Nur wer lebensmüde ist, geht dorthinauf.
Vielleicht hätte er den Rat ernster nehmen sollen. Andererseits, er war nicht so weit geritten, um kurz vor dem Ziel umzudrehen. Er zog sein Schwert und ließ es prüfend durch die Luft sausen. Systematisch begann er, den Rundbau nach Spuren zu untersuchen.
Es dauerte nicht lange, bis er in einer der Nischen, von denen in der Mitte der Kanzel einige zu finden waren, eine alte Feuerstelle fand. Ein Berg zusammengeknülltes Papier, das vielleicht als Schlafunterlage gedient haben mochte, lag da sowie ein paar Essensreste. Der Gestank war hier besonders penetrant.
Logan schlug seinen Kragen vor die Nase und fing an, mit dem Schwert in dem Papierhaufen herumzustochern. Etwas Großes, Schweres lag darin.
Mit angehaltenem Atem fing er an, das Papier zur Seite zu fegen. Was zunächst nur ein dumpfes Gefühl gewesen war, wurde rasch zur Gewissheit. Inmitten des Unrats und des Abfalls lag ein menschlicher Körper. Ein durch und durch toter menschlicher Körper. Logan trat aus der Nische heraus und atmete ein paarmal tief ein und aus. Jetzt war auch klar, woher der Gestank kam. Der Mann lag offenbar schon seit einigen Wochen hier. Die Verwesung war ziemlich weit fortgeschritten und hatte das Gesicht zerstört. Die Augenlider wirkten wie verschrumpeltes Pergament, die Nase war nur noch ein spitzer Zapfen mit zwei Löchern darin. Zwischen den entblößten Zähnen krochen Maden umher. Rasch untersuchte Logan die Taschen des Fremden, doch außer einer Rolle Schnur und einigen Zetteln mit irgendwelchen Schmierereien darauf konnte er nichts finden. Nebenan auf dem Boden lag ein hölzerner Stab, der mit Kerben und Schnitzereien verziert war. Und noch etwas fand er: einen kleinen grauen Kasten von der Art, wie sein Vater bereits einige gesammelt hatte. Das Radio, von dem Cedric gesprochen hatte!
Neugierig
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