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Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)

Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)

Titel: Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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der Klinik, deshalb habe ich auch nichts mitbekommen. Wie sieht’s denn da draußen aus? Gibt es viele Verletzte?«
    »Verletzte?« Reimers machte ein Geräusch wie ein pfeifender Teekessel. »Tote, mein Junge, Tote. Tausende. Sie ahnen ja gar nicht, was sich hier die letzten Tage abgespielt hat. Deutschland ist ein Schlachtfeld, besonders die Großstädte. Nichts funktioniert mehr. Strom, Gas, der städtische Nahverkehr, alles zusammengebrochen. Die Leute, die sich haben impfen lassen – und das sind die meisten –, liefern sich ununterbrochen Straßenschlachten. Die anderen …«, er zuckte die Schultern. »Am Virus gestorben oder geflohen. Weiß keiner so genau. Für uns hier in den Städten sieht die Lage nicht rosig aus. Immerhin haben wir noch Wasser, die Frage ist nur, wie lange noch?«
    »Und die Frauen?«
    »Weg. Genau wie Ihre Magda. Verlassen die Städte, wie man hört.« Er lächelte mitfühlend. »Ich weiß, wie Ihnen zumute sein muss, mein Junge. War selbst lange genug verheiratet. Sie beide waren doch ein Herz und eine Seele, oder?«
    Ben schluckte. Er hatte plötzlich einen Kloß im Hals.
    »Da sehen Sie’s. Wenn sogar so ein Mädel, das Sie wirklich liebhatte, zum Messer greift, dann können Sie sich vorstellen, was woanders los war. Vermutlich werden wir das volle Ausmaß der Katastrophe erst in ein paar Monaten erfahren. Bis dahin heißt es: Augen zu und durch.«
    »Hat man gehört, wie es in anderen Teilen der Welt aussieht? Was ist mit Frankreich, England, Spanien? Was mit Asien, Nord- und Südamerika, Afrika?«
    »Junge, glauben Sie, das würde man uns sagen? Ich denke mal, die wissen es selbst nicht so genau. Allerdings habe ich gehört, dass es großzügige Spenden in die Entwicklungsländer gegeben hat.«
    »Großzügig.« Ben stieß ein zynisches Lachen aus.
    »Sie sagen es, mein Junge«, sagte Reimers. »Diese Drecksäcke. Züchten einfach ein Supervirus und spielen sich dann noch als Wohltäter auf. Die Kacke ist gerade richtig am Dampfen. Es ist ein kleines Wunder, dass wir überhaupt noch Nachrichten empfangen. Die Rundfunkanstalten haben sich zusammengeschlossen und strahlen rund um die Uhr Sondermeldungen aus. Anscheinend erhalten sie ihren Strom über Generatoren, aber wie lange die noch funktionieren, ist fraglich.« Er ließ den Kopf sinken, und seine Stimme wurde leiser. »Es ist der Tag des Jüngsten Gerichts, mein Junge. Wenn es stimmt, dass sich das Militär aus den Städten zurückzieht, sind Plünderungen und Vandalismus Tür und Tor geöffnet, dann bleibt hier kein Stein mehr auf dem anderen. Wenn das geschieht, schlägt die Stunde der Warlords. Denken Sie an meine Worte. Ich bin weit genug in der Welt herumgekommen. Ich weiß, wie so etwas abläuft. Die Großen fressen die Kleinen. Wer sich nicht verteidigen kann, hat schon verloren. Wer jetzt eine Waffe hat, ist klar im Vorteil.« Er seufzte. »Was ich Ihnen damit sagen wollte: Seien Sie vorsichtig, wenn Sie da rausgehen. Das ist nicht mehr die Welt, die Sie kannten. Das ist ein Dschungel, und in diesem Dschungel regiert das Recht des Stärkeren. Ich wollte bloß, dass Sie das wissen. Ach ja, und wenn Sie wirklich einen Laden finden, der noch aufhat, kaufen Sie mir eine Flasche Schnaps. Egal welchen. Ich tausche ihn gegen Konserven, davon habe ich nämlich reichlich im Haus. Alte Gewohnheit, verstehen Sie?« Ein kleines Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als er Ben entließ und ihm im Treppenhaus hinterherblickte.

16
    D as Haus seines Vaters lag etwas nach hinten versetzt und war von der Straße durch eine drei Meter hohe Buchsbaumhecke abgeschirmt. Ein würfelförmiger Neubau, entworfen von irgendeinem Stararchitekten, der wie ein Fremdkörper aus der parkähnlichen Gartenanlage herausragte. Das Gebäude verfügte über breite Glasfronten, die von innen über steuerbare Rollos verdunkelt werden konnten.
    Ben hatte das Haus noch nie gemocht. Es wirkte kühl, abweisend; aus diesem Grund war er auch ausgezogen, als sein Vater die Eigentumswohnung in der Innenstadt gekauft hatte. Nachdem Mum auch nicht mehr hier wohnte, stand das Haus die meiste Zeit leer. Selbst sein Vater verbrachte hier kaum Zeit. Eigentlich kam er nur zum Übernachten und an Wochenenden, wenn er keinen Dienst hatte. Warum er den Bunker nicht schon längst verkauft hatte, war Ben ein Rätsel, aber vermutlich hing es damit zusammen, dass seine Eltern das Haus gemeinsam konzipiert und gebaut hatten und dass viele Erinnerungen damit verbunden waren.

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