Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)
Ben konnte es nicht beschwören, aber er meinte zu spüren, dass sein Vater seine Mutter immer noch liebte. Selbst nach den zwei Jahren, die sie nun mittlerweile getrennt waren. Normalerweise wäre er gar nicht hierhergekommen, aber nachdem der Assistent an der Klinik ihm berichtet hatte, dass dort niemand mehr arbeitete, erschien es ihm als die beste Chance, seinen Vater zu finden. Und tatsächlich: Vor der Garage stand der schwarze SLK.
Er stieg vom Sattel, schob das Rad in die Einfahrt, ging zur Haustür und drückte die Klingel. Natürlich funktionierte sie nicht, aber er durfte die Hoffnung nicht aufgeben.
Die Videokamera über seinem Kopf glotzte ausdruckslos wie ein totes Fischauge. Ben hämmerte mit der Faust gegen die Tür. »Dad, ich bin’s. Mach auf!« Er wartete und versuchte es dann noch einmal. Als sich nichts rührte, fummelte er in seiner Tasche und zog seinen Haustürschlüssel heraus. Obwohl er hier nicht mehr wohnte, bestand sein Vater darauf, dass er jederzeit ins Haus konnte. Er steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn herum und öffnete die Tür.
Im Haus war es still. Kein Laut. Weder das Ticken einer Uhr noch das sanfte Säuseln einer Klimaanlage. Es war dunkel, und die Luft war stickig. Fast wie in einer Gruft. Die Rollos waren heruntergelassen und tauchten die Räume in ein sanftes Halbdunkel. Wie es aussah, war auch hier nicht eingebrochen worden. Ben fiel ein Stein vom Herzen. Er trat in die Mitte des zweistöckigen Wohnraums und rief: »Dad, bist du da? Ich bin’s, Ben! Ich habe dein Auto draußen gesehen. Komm mal runter, ich muss mir dit reden.«
Nichts. Die Schlafzimmer lagen im ersten Stock. Dass sein Vater noch schlief, glaubte Ben eigentlich nicht. Sebastian war ein Frühaufsteher. Sechs Uhr raus, elf Uhr ins Bett. Ein echter Workaholic. Vermutlich war er doch noch in der Klinik. Aber warum hatte er sein Auto hier stehenlassen? War ja eigentlich auch egal. Ben würde hier einfach nach dem Rechten sehen, seinem Vater eine Nachricht hinterlassen und anschließend ins Krankenhaus fahren. Dann konnte er wenigstens nachsehen, ob die Hilfslieferungen inzwischen eingetroffen waren.
Der kurze Blick durch die Küche war ernüchternd: keine Konserven, wenig Brot, das meiste davon schimmelig, weder Wurst noch Käse. Typisch. Immerhin war die Schnapsbar gut bestückt. Vater würde sicher eine oder zwei Flaschen entbehren können. Ben nahm eine Flasche Whisky für Herrn Reimers aus dem Schrank, steckte sie in seinen Rucksack und betrat dann die Treppe, die in den ersten Stock hinaufführte. Oben angekommen, hielt er seine Nase in die Höhe. Irgendetwas roch hier brenzlig. Nicht die Art von Gestank, den verschmorte Stromleitungen erzeugen. Eher der Geruch von Zündhölzchen oder Schwarzpulver. Ben fühlte sich an Silvesterfeuerwerk erinnert. An lange Abende mit Knallfröschen und selbstgebauten Raketenautos. Aber wo sollte ein solcher Geruch herkommen? Vermutlich stand irgendwo ein Fenster offen, und er zog von draußen herein.
Ben untersuchte einige der Räume, fand alles zu seiner Zufriedenheit und wollte schon gehen, als er vor Vaters Arbeitszimmer stehen blieb. Hier war der Geruch am stärksten. Durch den schmalen Türspalt drang ein penetranter Gestank nach erkaltetem Feuerwerk. Ben stieß die Tür auf und blieb einen Moment wie angewurzelt stehen. Sein Vater saß am Tisch, vor sich eine Flasche Whisky, daneben ein Glas und eine kleine Karaffe mit Wasser. Sein Kopf lag auf der Tischplatte, die Augen weit aufgerissen. In seiner Hand hielt er einen Gegenstand, der bei Ben die schlimmsten Befürchtungen auslöste: eine Pistole.
Es dauerte einen Moment, bis Ben die Kraft fand, zu seinem Vater zu gehen und ihn zu berühren. Die Haut war eiskalt.
»Oh Gott, nein. Bitte nicht. Nicht das.«
Ben versuchte, den Körper anzuheben, bemerkte dann aber, dass die linke Gesichtshälfte in einer Lache aus Blut lag.
»Bitte, lieber Himmel, lass das nicht wahr sein. Vater, sag doch etwas. Sprich zu mir, bitte!«
Aus den leblosen Augen seines Gegenübers löste sich eine einzelne Träne und rann seitlich die Nase hinab.
Ben stieß ein entsetztes Stöhnen aus. Seine Beine versagten ihm den Dienst. Hätte nicht zufällig direkt neben ihm ein zweiter Stuhl gestanden, er wäre rücklings auf dem Parkettboden gelandet. Die Erkenntnis traf ihn mit der Wucht eines Vorschlaghammers. Nach Atem ringend, fasste er sich an die Brust. Sein Vater war tot, hingerichtet durch eigene Hand. Wie es schien, lag
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