Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen
–, dass ein Drache im Berg war, bevor Ihr ihn überhaupt betreten hattet.«
Drakonas registrierte, dass sie den König »Edward« genannt hatte. Lächelnd zuckte er mit den Schultern. »Ich bin ein Drachenjäger. Man bezahlt mich dafür, dass ich mich mit Drachen auskenne.«
»Dann habe ich eine Frage«, fuhr Melisande fort. »Können alle Drachen sich in Menschen verwandeln?« Sie hob die Hand. »Könnte Edward ein Drache sein? Oder Ihr?«
»Ich habe in letzter Zeit niemandem das Herz aus dem Leibe gerissen, wenn es das ist, was Ihr wissen möchtet«, erwiderte Drakonas immer noch lächelnd.
Sie schaute wieder zum Himmel empor. Das Rot und Pink war in Lila übergegangen, das jetzt langsam der Schwärze der Nacht wich. Schon war der Abendstern aufgegangen, um dem Tag Beine zu machen.
Abrupt stand Melisande auf und massierte ihre Arme. »Ich wünschte, Seine Majestät käme zurück«, meinte sie, ohne zu bemerken, dass sie zuvor seinen Namen verwendet hatte. »Mir kommt es so vor, als wäre dieser Drache immer noch in der Nähe.«
»Ich sehe mich mal um«, bot Drakonas an. Kopfschüttelnd ging er davon.
Gefährlich, diese vom Drachen berührten Menschen. Sehr gefährlich.
Unterwegs begegnete Drakonas Edward, der gerade eine Kaninchenschlinge legte. Es gab Kaninchen zum Abendessen. Obwohl Melisande zunächst vorgab, nicht hungrig zu sein, erwies sich der Duft des Bratens, der sich über dem Feuer drehte, als unwiderstehlich.
Anschließend saßen sie schweigend beieinander. Edward sah zu, wie sich die Nacht über den Fluss senkte. Melisandes Blick schweifte oft nach flussaufwärts. Sie wartete immer noch.
Drakonas bot sich an, die erste Wache zu übernehmen. Edward widersprach aus Höflichkeit, gab jedoch irgendwann nach. Allerdings ging er davon aus, dass Drakonas ihn wecken würde, sobald er abgelöst werden wollte. Dieses Versprechen gedachte Drakonas sogar zu halten. Er hatte zwei Nächte nacheinander nicht geschlafen, und allmählich spürte er doch das Verlangen danach. Sein Treffen mit Bran würde nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen, da sie wenig zu besprechen hatten. Ohnehin würde der Drache das Reden übernehmen. Drakonas stand nur das Zuhören und ein regelmäßiges »Ja« zu.
Trotzdem werde ich nicht stillschweigend mitmachen, nahm Drakonas sich fest vor. Ich sorge dafür, dass ihnen klar wird, was ich von dem Plan halte.
Worauf er sich jedoch fragte, was er wirklich davon hielt.
Die Antwort war ihm selbst nicht klar. Vom Gefühl her war er dagegen, doch bei dem Gespräch mit Melisande über Drachen war er wieder unsicher geworden.
Ungeduldig wartete Drakonas, dass jemand vom Schlafen sprach. Doch weder Melisande noch Edward ergriffen das Wort, obwohl beide schon blinzelten und ihr Gähnen unterdrückten. Diese merkwürdige Neigung der Menschen, Schlaf als Schwäche anzusehen, hatte Drakonas noch nie begriffen. Schließlich schlug er selbst in brüskem Ton vor, sie sollten sich zur Ruhe begeben.
Edward wählte den besten Platz für Melisandes Lager und stattete es mit der besten Decke aus. Für sich selbst suchte er einen Platz in gebührendem Abstand. Beinahe hätte Drakonas Edward gefragt, ob er auch noch ein Schwert zwischen sie legen wollte, so wie die Ritter der alten Zeit. Aber der Gesichtsausdruck des Königs deutete an, dass dieser eine solche Bemerkung wenig komisch finden würde.
Sobald die Menschen sich in ihre Decken gewickelt und hingelegt hatten, wobei sie einander geradezu auffällig den Rücken zukehrten, wob Drakonas seine Magie über die beiden, als würde er sie mit einer weiteren Decke überziehen. Gleich darauf entspannten sie sich, rollten auf den Rücken und fielen in einen tiefen Schlaf. Erst da ging er zu dem Treffen mit Bran. Er brauchte einen Ort, wo sie ungestört miteinander reden konnten, aber wo er gleichzeitig seine Schützlinge im Blick behielt.
Irgendwo da draußen war die Geliebte, und Melisande wusste, dass sie kommen würde.
Noch so eine zusätzliche Erschwernis.
Melisande hatte Recht. Bellona stand kurz davor, sie zu finden. Wenn Drakonas gewusst hätte, wie nahe sie schon war, hätte er seine Menschen in dieser Nacht überhaupt nicht allein gelassen.
Das Boot, das Bellona entdeckt hatte, war kleiner als die anderen. Vermutlich hatte es dazu gedient, Vorräte über den Fluss zu transportieren, denn auf dem Boden war eine feine Schicht Maismehl. Zudem befand sich am Bug ein Metallhaken, an den ein Seil geknotet war. In der Dunkelheit der ersten
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