Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen
Drakonas. »Außerdem ist sie nicht mehr da.«
Edward wurde bleich. »Aber … doch nicht tot …«
Sein Begleiter schüttelte den Kopf. »Sie ist am Leben und in Sicherheit. Wenn Ihr Euch wieder hinsetzt, werde ich Euch berichten, was geschehen ist. Ich habe mich heute Nacht bemüht, Euch das Leben zu retten, und ich würde ungern mit ansehen, wie all meine Bemühungen vergeblich waren.«
»Sie ist nicht tot«, wiederholte Edward. »Ihr sagt das doch nicht bloß so, oder? Ich habe … Blut gesehen.«
»Sie ist nicht tot. Die Kriegerin ist uns gefolgt. Sie hat Melisande gefunden und im Boot mitgenommen.«
Entgeistert starrte der König Drakonas an. » Sie hat sie erwischt! Die mit den Pfeilen! Wir müssen ihnen nach. Sie wird sie umbringen!«
»Nein, das wird sie nicht«, erwiderte Drakonas. »Würdet Ihr Euch jetzt bitte hinsetzen?«
Zögernd starrte Edward auf den sonnenüberglänzten Fluss, der Melisande fortgetragen hatte. Dann sank er resigniert auf den Boden.
»Also hat die Kriegerin sie gefunden. Warum seid Ihr so sicher, dass sie Melisande nicht töten wird?«
»Weil sie ihr das Leben gerettet hat. Grald war hier.«
»Grald!« Edward staunte. »Dieser Riesenkerl, den wir in der Drachenhöhle belauscht haben? Der, der die Kinder geraubt hat? Was hat der damit zu tun?«
»Erinnert Ihr Euch nicht?«
»Ich erinnere mich an gar nichts mehr«, gestand Edward verbittert. »Ich hörte im Wald jemanden kommen, aber ich dachte, Ihr wärt es.« Er versuchte nachzudenken, verzog jedoch das Gesicht. Er hatte immer noch Schmerzen. »Nichts. Danach weiß ich nur noch, wie ich aufwachte. Alles war stockfinster, und ich hatte solche Kopfschmerzen. Ich habe nach Melisande gerufen, aber sie hat nicht geantwortet.«
»Grald hat Euch angegriffen«, erklärte Drakonas. »Er wollte Euch töten. Ihr habt viel Glück gehabt.«
»Melisande … Ihr sagtet, sie sei nicht tot. Hat Grald – oh, Gott, hat er sie …?« Edward brachte die Worte nicht über die Lippen.
»Ich weiß es nicht«, meinte Drakonas bedrückt. »Ich denke, ja.«
»Aber wie konnte er? Woher wusste er von ihr? Könnte der Drache mit ihm in Verbindung stehen?«
Drakonas nickte weise. »Das vermute ich.«
»Oh, Gott!«, schrie Edward erschauernd auf. Er fasste sich mit beiden Händen an den Kopf. »Ich wusste, dass ihr etwas Schreckliches zugestoßen war. Ihr Hemd war zerrissen und voller Blut. Da wusste ich es, ich habe es erraten.«
Als er das blutige, tränenüberströmte Gesicht hob, war es voller Entschlossenheit. »Grald. Er war es? Ganz sicher?«
»Ich habe ihn gesehen. Er kam aus dem Wald, Melisande in den Armen. Dort griff die Soldatin ihn an. Er ließ Melisande fallen und ergriff die Flucht.«
»Und was habt Ihr die ganze Zeit gemacht?«, schäumte Edward. »In Ruhe zugeschaut?«
»Ich habe meine gebrochenen Knochen wieder unter die Haut geschoben«, gab Drakonas zurück und wies den Arm vor, der in einer einfachen Schlinge steckte. »Und Flusswasser ausgewürgt. Ich habe versucht, Grald aufzuhalten, aber es ist mir nicht gelungen.«
»Wie seid Ihr auf Grald gestoßen?«
»Er hat mir in der Höhle eine Falle gestellt. Ich bin mitten hineingetappt, vollkommen hirnlos.«
»Melisande sagte, sie hätte ein ungutes Gefühl bei diesem Ort«, flüsterte Edward.
»Ich hätte auf sie hören sollen«, räumte Drakonas ein.
Edward fasste ihn scharf ins Auge. »Ich habe eine Menge Fragen. Jedenfalls glaube ich das. Mein Kopf tut so weh, dass ich kaum denken kann. Wie hat er uns gefunden?«
»Wir waren unvorsichtig«, sagte Drakonas schlicht. »Wir haben gestern Abend Feuer gemacht, das Boot offen liegen lassen, auch unsere Decken lagen am Ufer herum. Nachdem er das Lager gefunden hatte, brauchte er nur Eurer Spur zu folgen.«
Stirnrunzelnd grübelte der König weiter nach. »Aber wenn er hinter ihr her war, wieso hat er dann Euch aufgelauert?«
»Nicht mir«, berichtigte Drakonas, »sondern ihr, Melisande. Er hatte gehofft, sie würde in die Höhle eindringen. Mit mir hat er nicht gerechnet und war wenig erfreut, mich zu sehen, das kann ich Euch sagen.« Drakonas verzog das Gesicht. »Als er dachte, er wäre mit mir fertig, ging er auf die Suche nach ihr.«
Edward überlegte. »Das klingt einleuchtend«, gab er zu. Verlegen lächelte er Drakonas zu. »Tut mir Leid, dass ich so misstrauisch war.«
Er schwieg einen langen Moment. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. »Hat Melisande diese Frau freiwillig begleitet?«, wollte er wissen, ohne
Weitere Kostenlose Bücher