Das verbotene Land 2 - Drachensohn
Einer der Bewaffneten drehte den Kopf in diese Richtung.
Dort waren unscharfe Gestalten zu sehen, die über den frisch gepflügten Acker um ihr Leben rannten.
»Herr! Dort, auf dem Feld! Da flüchten die Schufte!«
»Beim heiligen Sankt Dunstan, der Abend wird aufregender, als wir dachten«, rief der eine Ritter, sprang auf und galoppierte Drakonas' Irrlichtern nach. Der andere Ritter folgte ihm nach. Die Diener kümmerten sich um die Nonne, während die Soldaten Grald mit Bogensehnen fesselten. Erleichtert atmete Drakonas auf.
Nur zu gern hätte er seine Rechnung mit Grald beglichen und den Drachen vielleicht sogar entlarvt. Aber nicht, wenn so viele Menschen dabei waren und er ein Drachenkind bei sich hatte. Immerhin genoss er die Vorstellung, dass Grald im Kerker aufwachen würde, wo ihm der Henker drohte. Natürlich würde er sich befreien können. Seine Magie gestattete ihm, durch Mauern zu laufen. Die Menschen würden sich befremdet den Kopf kratzen und die Welt nicht mehr verstehen. Dennoch würde der Drache einigen Ärger bekommen, den Drakonas sich nun zufrieden ausmalte. Bis Grald aus dem Gefängnis heraus war, würden Bellona und Nem in Sicherheit sein.
Die Dienerschaft kümmerte sich immer noch um die Schwester. Die Soldaten diskutierten lachend, was sie mit den verkohlten Überresten des Diebes anstellen sollten. Vielleicht als Köder für die Krähen verwenden? Drakonas nickte dem Jungen zu. Nem erhob sich. Lautlos schlichen sie tiefer in den Wald. Sie hielten auf den Fluss zu.
An einer schmalen Brücke, die zu einer Schafweide führte, überquerten die zwei den Fluss. In der Ferne hob sich ein düsterer Wald vor dem blasseren Hintergrund der Weiden ab. Auf diese Bäume hielt Drakonas zu. Sobald sie im Schutz der dichten Äste waren, fühlte er sich in Sicherheit und legte Bellona auf einem Laubhaufen ab.
»Sie wird doch wieder gesund?«, fragte Nem.
»Sie ist nicht tot«, erwiderte Drakonas vorsichtig. »Das ist immerhin schon mal etwas. Der Lederhelm hat ihren Kopf geschützt. Ich brauche Wasser. Nimm das.« Er reichte Nem seinen Wasserschlauch. »Wir müssen sie warm halten. Kannst du Feuer machen?«
Nem nickte, verschwendete aber keine Zeit mit Worten. Erst brachte er Wasser, dann ging er auf die Suche nach Brennholz. Drakonas nutzte seine Abwesenheit, um Bellonas Verletzungen zu begutachten. Zu seiner Erleichterung waren sie weniger ernst, als es den Anschein gehabt hatte. Wenn ein Mensch im Sterben lag, konnte nicht einmal Drachenmagie diesen retten. Die gebrochenen Knochen konnte er nicht heilen lassen, aber er konnte den Arm schienen, ihre Schmerzen lindern, die Blutungen stillen und den Schock bekämpfen. Bis Nem mit einem Arm voll Holz zurückkam, schlief Bellona friedlich. Der Junge erledigte seine Aufgabe, ohne Fragen zu stellen. Als das Feuer schließlich knisterte und Drakonas seine Wärme spürte, kam Nem zu Bellona herüber.
Drakonas wusch der Frau gerade das Blut vom Gesicht. Ihre bleichen Wangen wurden schon wieder rosiger. Sie stöhnte nicht mehr und atmete weniger angestrengt.
»Sie ist eine starke Frau«, stellte Drakonas fest. »Man hat sie brutal zusammengeschlagen, aber sie hat nur einen gebrochenen Arm und ein paar gebrochene Rippen davongetragen.«
»Sie konnten das Geld nicht finden«, meinte Nem, als müsse er eine Erklärung liefern. »Sie haben an der falschen Stelle gesucht.«
Drakonas warf dem Jungen einen Blick zu. »Mir brauchst du nichts vorzumachen, Nem. Ich habe den Angriff gesehen. Beide Angriffe«, fügte er betont hinzu.
»Ich weiß nicht, was du meinst.« Nem wandte sich ab und ging zum Feuer. Dort hockte er sich hin und stocherte mit einem Ast in der Glut herum, um sie weiter zu schüren. »Das waren Räuber.«
Drakonas zuckte mit den Schultern. Na schön.
»Ich habe gehört, dass Bellona dich ›Nem‹ ruft«, wechselte er entgegenkommend das Thema. »Ein ungewöhnlicher Name. Ich habe ihn noch nie gehört. Was bedeutet das?«
»Eine Abkürzung für Nemesis. Rache«, sagte der Junge schulterzuckend.
Verblüfft setzte Drakonas sich auf die Fersen. Was für eine furchtbare Bürde, dachte er. Doch letztlich konnte er es nachvollziehen.
»Bellona muss jetzt vor allem schlafen«, meinte Drakonas knapp. »Du hast sicher Hunger. Ich habe etwas zu essen dabei.«
Nem schüttelte den Kopf. Er hockte weiter auf seinen Drachenbeinen und spielte mit dem Feuer. Dabei sah er weder Drakonas noch Bellona an. Sein Blick galt den Flammen.
»Bist du müde?«,
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