Das verbotene Land 2 - Drachensohn
nicht leisten konnte.
Ihre aufkeimende Panik wurde von Ärger überschattet. Markus hatte sie zum Narren gehalten. Er wollte ihr auf diese Weise entkommen.
Schon wollte sie die Sache selbst in die Hand nehmen, sich auf Burt stürzen und ihn notfalls bewusstlos schlagen, als Markus äußerte: »Oh, Moment noch. Ich glaube, ich habe meine Handschuhe fallen lassen.«
Er ging am Wärter vorbei in die Zelle zurück, wo er sich suchend umsah.
»In diesem verwünschten Loch sieht man überhaupt nichts, Burt. Leuchte mal herüber.«
Der Mann gehorchte. Er hob die Fackel hoch. Markus ging extra nahe an die Wand, damit der Wärter seinen vorragenden Wanst von der Tür fortbewegen musste. So leise wie möglich schlüpfte Bellona an ihm vorbei. Das leise Rascheln des Strohs wurde von Markus' Suchen übertönt.
»Ach, da sind sie ja.« Triumphierend hielt er die Handschuhe in die Höhe, ehe er sie in seinen Gürtel steckte.
Burt grunzte. Markus marschierte zurück in den Gang. Unauffällig sah er sich nach Bellona um. Dabei hatte sie zum ersten Mal den Eindruck, sie würde tatsächlich mit den Schatten verschmelzen, denn sein Blick wanderte zweimal über sie hinweg, ehe er sie entdeckte. Er warf ihr ein verschwörerisches Lächeln zu. Da endlich begriff sie, was sie schon früher hätte bemerken sollen. Für ihn war das alles ein Spiel. Er hatte seinen Spaß an dem Wagnis, an der heimlichen Intrige, daran, seine Magie benutzen und damit angeben zu können. Es war eine Abwechslung von der dumpfen, gewohnheitsmäßigen Rolle als Prinz.
Dann spielt Euer Spielchen, Hoheit, sagte sie sich still. So lange du vorhast, dass wir gewinnen, ist es mir einerlei.
Burt schlug die Tür zu, steckte den großen Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. Dann ging er den Gang entlang. Das rauchige Fackellicht warf Markus' Schatten an die Wand. Der Prinz unterhielt sich mit dem Wärter. Sie diskutierten über die berühmte Kanone. Beim Sprechen bewegten sich seine Arme und die seines Schattens, zeigten mit ausladenden Gesten, wie weit die Kanonenkugel heute geflogen war. Dabei ballte er die Faust und schlug auf einen eingebildeten Drachen ein, um anzudeuten, wie die Kanone diesem zusetzen würde. Umgeben von einem hellen Strahlenkranz glitt sein Schatten über die kalten Mauern aus Stein.
Bellona ging ihm nach. Sie war ihr eigener Schatten.
Markus sattelte sein Pferd. Die Stallburschen, die über den Boxen schliefen, erwachten nicht davon. Dann zog er Bellona hinter sich und lenkte das Tier vorsichtig über den Hof, wobei er nervös zu den Fenstern seiner Eltern hinaufblinzelte. Aber dort wurden keine Lichter entzündet. Sein Vater würde schlafen, doch seine Mutter stand vielleicht im Dunkeln am Fenster und sah zu ihm herab. Der Gedanke an ihren Kummer machte ihm zu schaffen. Jetzt war die ganze Sache weniger lustig. Doch letztlich hatte sie ihn hinuntergeschickt. Mit einem Blick zu ihrem unerleuchteten Fenster sagte er ihr lautlos Lebewohl und ritt zum Tor.
Die Wachen amüsierten sich prächtig bei Markus' ernst vorgetragener Geschichte, er müsse allein ausreiten, um einen »Freund« zu besuchen. Als er sie beschwor, seine Abwesenheit geheim zu halten und hoch und heilig versicherte, er würde vor Tagesanbruch zurück sein, ließen sie ihn lachend passieren.
»Der Junge scheint zum Mann zu werden«, meinte der Kommandant mit viel sagendem Augenzwinkern.
»Wird auch Zeit, dass er sich mal für die Weiber interessiert«, ergänzte ein Soldat. »Sollen wir nicht Gunderson Bescheid geben?«
»Ach was. Lass dem Kerlchen seinen Spaß.« Der Kommandant grinste. »Wahrscheinlich weiß der Alte sowieso davon und wäre nicht gerade glücklich, wenn wir ihn jetzt wecken.«
So gingen die Wachen wieder auf ihre Posten, um sich die langen, langweiligen Stunden bis zum Morgengrauen zu vertreiben, das zu ihrem Leidwesen recht aufregend werden sollte, weil der Prinz nicht wiederkehrte.
Edward war noch nie so wütend gewesen. Er kochte vor Wut. Bittere, hitzige Worte lagen ihm auf der Zunge, doch er hielt sich im Zaum. Sein Vater hatte ihn gelehrt, dass ein König, der außer sich geriet und seinen Zorn an denen ausließ, die es nicht wagen durften zurückzuschlagen, kein wahrer König war, nicht einmal ein wahrer Mann. So brüllte Edward nicht herum, doch sein verzerrtes Gesicht und die großen Augen sprachen Bände.
Vor ihm stand Ermintrude, beide Hände fest auf den Bauch gelegt. Ihr Gesicht war entschlossen und ohne Reue. Sie war der Ansicht,
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