Das verbotene Reich: Thriller (German Edition)
kaiserlichen Ehrengarde verwendet wurde. Außerdem bedeutete die Lage in der äußersten nordwestlichen Ecke, dass die Befehlsstelle sich im Schutz der Armeen der beiden anderen Gruben befand. Zeit seines Lebens hatte Qin Shi über zahllose gepanzerte Soldaten, Streitwagen und Pferde verfügt, um die Welt zu erobern und ›sich an ihr zu weiden‹. Im Tod hatte er offensichtlich etwas Ähnliches versucht.
Tang stieg die Erdrampe zum Grund von Grube 3 hinunter.
Helle Deckenleuchten bestrahlten die surreale Szenerie. Ein Stall und ein Streitwagen füllten die erste Nische aus. Zwei kurze Korridore, einer links und einer rechts des Stalls, führten zu zwei weiter hinten liegenden Kammern.
Er wartete, bis sie beide in der Grube waren, bevor er das Problem erneut gegenüber dem Museumschef ansprach.
»Ich habe mich darauf verlassen, dass Sie für die Geheimhaltung der Entdeckung sorgen«, sagte er. »Wenn Sie der Sache nicht gewachsen sind, brauchen wir vielleicht jemand anderen an der Spitze.«
»Ich versichere Ihnen, Herr Minister, ich habe das Problem jetzt im Griff. Ich wollte Sie einfach nur informieren, dass die Existenz der Kammer inzwischen mehr Menschen als nur den dreien bekannt ist, die zu ihr durchgestoßen waren.«
»Erzählen Sie mir noch einmal, was gefunden wurde.«
»Uns ist eine Schwachstelle aufgefallen.« Der Direktor zeigte nach rechts. »Dort. Wir dachten, hier würde die Grube enden, doch wir haben uns geirrt.«
Tang sah ein in der Lehmwand klaffendes Loch. Daneben türmte sich ein Erdhaufen.
»Wir hatten noch keine Zeit, den Aushub wegzuräumen«, erklärte der Direktor. »Nach der Erstuntersuchung habe ich die Ausgrabung gestoppt und Sie angerufen.«
Ein Gewirr flacher Kabel schlängelte sich aus Metallkästen und einem Transformator, der in der Nähe auf dem Boden lag. Tang starrte auf die Öffnung und die hellen Lichter, die auf der anderen Seite brannten.
»Es ist eine neue Kammer, Herr Minister«, sagte der Kurator. »Sie war bisher nicht bekannt.«
»Und was ist ungewöhnlich an ihr?«
»Das werden Sie gleich sehen.«
Ein Schatten tanzte innen über die Wände.
»Er ist schon den ganzen Tag hier«, sagte der Direktor. »Gemäß Ihrem Befehl. Er arbeitet.«
»Ungestört?«
»Wie Sie es verlangt haben.«
7
Antwerpen
Ni betrachtete Pau Wen, wütend auf sich selbst, dass er diesen gerissenen Mann unterschätzt hatte.
»Schauen Sie sich um«, sagte Pau. »Hier liegen Beweise für Chinas Größe, die sechstausend Jahre weit zurückreichen. Als die westliche Zivilisation noch kaum begonnen hatte, goss China schon Eisen, kämpfte mit Armbrüsten und zeichnete Landkarten.«
Nis Geduld war allmählich aufgebraucht. »Worauf läuft dieses Gespräch hinaus?«
»Ist Ihnen bewusst, dass die chinesische Landwirtschaft im vierten Jahrhundert vor Christus weiter entwickelt war als die europäische im achtzehnten nach Christus? Jahrhunderte vor jeder anderen Kultur der Erde verstanden unsere Vorfahren sich auf den Reihenanbau, begriffen die Notwendigkeit des Unkrauthackens, hatten die Drillmaschine und den Eisenpflug erfunden und hatten gelernt, ihre Pferde anzuschirren. Wir waren den anderen so weit voraus, dass sich jeder Vergleich erübrigt. Sagen Sie mir, Herr Minister, was ist geschehen? Warum sind wir nicht mehr in dieser überlegenen Position?«
Die Antwort lag auf der Hand – was Pau offensichtlich bewusst war –, aber Ni würde hier nichts Umstürzlerisches sagen, denn vielleicht wurde dieser Raum oder sein Gastgeber ja abgehört.
»Ein britischer Gelehrter hat dieses Phänomen vor Jahrzehnten studiert«, erzählte Pau, »und ist zu dem Schluss gekommen, dass über die Hälfte der grundlegenden Erfindungen und Entdeckungen, auf denen die moderne Welt beruht, aus China stammen. Aber wer wusste das schon? Die Chinesen selbst hatten keine Ahnung. Ein historischer Bericht beschreibt, dass die Chinesen von der ersten mechanischen Uhr, die Jesuitenmissionare ihnen im siebzehnten Jahrhundert zeigten, vollkommen überwältigt waren. Sie wussten nicht, dass ihre eigenen Vorfahren dieses Instrument tausend Jahre zuvor erfunden hatten.«
»Das alles ist unerheblich«, stellte Ni klar, dem bewusst war, dass es noch andere Zuhörer geben mochte.
Pau zeigte auf einen Rotholzschreibtisch, der an einer Wand stand. Gegenstände, die man für die Kalligrafie brauchte – Tinte, ein Tuschestein, Pinsel, Papier –, lagen ordentlich um ein Notebook herum.
Sie gingen hinüber.
Pau tippte auf
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